Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition)
und Angst. » Töte ihn, und du bist frei. «
Er lächelt traurig. » Wenn ich ihn töte, bin ich nicht mehr reinen Herzens. Die Wirkung des Grals vergeht und auch ich sterbe. Innerhalb von Minuten werde ich nur noch Knochen und Staub sein. «
» Aber er ist dein Feind. Es ist nichts Böses dabei, sich gegen einen Feind zu wehren. «
» Er trachtet mir nicht nach dem Leben, denn das wäre etwas anderes. Er trachtet nach dem Gral. Ein Gegenstand darf nie ein Grund sein, jemanden zu töten, denn letztendlich ist auch der Gral nichts anderes. Ein Gegenstand aus Achat mit einem Silberrand. Wenn du es wolltest, könntest du deinen Tee daraus trinken. «
Verzweifelt sucht Emily die mentalen Fäden zusammen. » Aber dann ... dann würde auch Merlin dir nichts tun, denn dann wäre der Gral für ihn nutzlos. «
Galahad nimmt ihr Gesicht zwischen seine großen Hände. Er küsst ihr die Tränen von den Wangen. » Er ist das einzige Wesen, für das diese Regel nicht gilt. Er ist der Vater des magischen Schwertes Excalibur. Er ist gesegnet von der Frau vom See und er würde sein Vergehen mit Magie ausgleichen. Er würde mich töten, ohne mit der Wimper zu zucken, wenn ich den Gral bei mir habe. Ohne den Gral bin ich sicher, so, wie ihr gleich sicher sein werdet. Dann, wenn ich gegangen bin. Nur so, Liebste, kann ich für dich garantieren. Er ist uns zu nahe, um gemeinsam zu gehen. Das ahnte ich nicht, und ich wusste nicht, was mit Richard geschehen würde. «
Sie legt die Arme um ihn. Lieber Gott, er hat Recht. Sie darf ihren Vater und ihren Bruder nicht alleine lassen. Sie würden in Alkohol ertrinken und das Gut würde verkommen. Ein winziger Seitenblick zu Vater genügt, um wahrzunehmen, wie sehr er schon jetzt am Rande des Wahnsinns taumelt. Er sieht seine Tochter in den Armen dieses Mannes und begreift nicht, was vor sich geht. Wenn ihm das niemand erklärt, wird er für den kurzen Rest seines Lebens annehmen, der Teufel habe seine Tochter entführt.
Galahad macht sich frei. Er läuft durch den Flur, die Treppe hinunter in das Gewölbe.
Kenneth Blackmores Lippen zittern. Unzählige Fragen beherrschen sein Gesicht.
Emily sieht ihn eindringlich an, dann trifft sie eine Entscheidung.
Merlin geht mit langsamen Schritten an der verkrümmten Gestalt des jungen Mannes vorbei, der mit dem Gewehr auf Galahad gezielt hat. Der Mann sieht zu ihm hoch, und Merlin genießt die Verwirrung in dessen Augen.
» Gleich bist du erlöst « , sagt Merlin mit dunkler Stimme.
» Sterben? « , ächzt Richard, und Angst verunstaltet sein Gesicht. Der Wind ist fast schweigend, doch er hält ihn fest mit unsichtbaren Klauen.
» Erlöst « , wiederholt Merlin und fügt ganz leise und fast unhörbar hinzu: » Denn dass der Mensch erlöst werde von der Rache, das ist die Brücke zur höchsten Hoffnung und ein Regenbogen nach langen Unwettern. «
Er ahnt, dass der junge Mann die Worte nicht vernommen hat. Er schmunzelt und geht weiter, und seine Robe glänzt feucht im Glanz der Sterne, die hinter den aufreißenden Wolken aufgehen wie hoffnungsvolle Lichter.
Hinter ihm heult Richard auf wie ein waidwundes Tier.
Merlin betrachtet das Haus. Ein großer Bauernhof, von dem er weiß, dass man es in dieser Zeit fälschlicherweise ein Gut nennt. Pah, er hat Güter gesehen, die weiß glänzend Gott herausforderten, wohingegen dies hier einem Stall ähnelt, in dem Ziegen, Schafe und Kühe gehalten werden. Hinter den Fenstern leuchtet Kerzenschein.
Er schließt für einen winzigen Moment die Augen und verinnerlicht. Er spürt Galahad, den er nach Camelot brachte, da er wusste, dass nur er der eine, der reine Ritter war. Er sollte den Gral finden und es gelang ihm. Doch er brachte ihn nicht zurück zu ihm, zu Merlin, sondern täuschte seinen Tod vor. Die gute Seele hatte beschlossen, den Gral zu beschützen, bis die Welt aufhört, sich zu drehen, um ihn nicht in falsche Hände gelangen zu lassen. Galahad hatte seinen Schwur zu ernst genommen. Darüber berichteten die Legenden nicht, das war eine Sache außerhalb des Mythos.
Auch über ihn, Merlin, sagt man, er habe sich aus der Welt zurückgezogen, nachdem Artus gegangen war, den Narren und König, den er erzogen hatte. Mythen, denen kaum ein Wort Wahrheit anhaftete. Stets tauchte er, Merlin, in den Zeiten auf, manchmal unter fremden Namen, denn er nutzte die Portale, die ihren Ausgangspunkt dort hatten, wo sein Meisterwerk die Welten überdauert. Nicht weit von Salisbury schuf er das
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