Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition)

verlieren.
    » Geh aus dem Weg! « , brüllt Richard. Er macht einen Seitenschritt, um freie Schussbahn zu haben. Emily schließt die Augen und wartet auf das Unausweichliche. Vater schreit: » Komm zu Verstand, Sohn! Sonst triffst du noch versehentlich mich. «
    » Er ist verwirrt « , sagt Galahad. » Er muss sich beruhigen, sonst wird er sterben. «
    Emily fährt herum. Sie reißt ihren Mund auf. Galahads Worte klangen kalt und überlegen. Und sie erkennt, dass er nicht so schutzlos ist, wie sie denkt. Es war seine Entscheidung, sich nicht zu wehren, und diese Entscheidung überdenkt er.
    » Du hast ihn gehört, Richard. Alles, was du über ihn denkst, ist falsch. Er ist kein schlechter Mensch « , sagt Emily eindringlich.
    Richard fängt an zu lachen, laut und schrill. Er legt an, zielt und Emily erkennt, dass sie die Kugel nicht aufhalten kann. Ihr Bruder ist krank vor Hass, und etwas in ihm scheint zerbrochen zu sein. Zu gerne möchte sie zu ihm gehen, ihn trösten, ihn fragen, was geschehen ist, aber dazu kommt sie nicht mehr.
    Ein kalter Hauch weht über die Ebene, ein komprimierter Wind, der einen pfeifenden Laut verursacht und wie eine unsichtbare Schlange in Richards Rücken donnert. Der junge Mann keucht und fällt vorneüber. Das zweite Mal in dieser Nacht lässt er die Flinte fallen. Er versucht, sich wieder aufzurichten, doch der Wind kreist um ihn und hält ihn in unsichtbaren Fesseln. Er heult und tastet ins scheinbare Nichts, während Speichel von seinen Lippen spritzt.
    Emily traut ihren Augen nicht.
    Galahad ist bei ihr und reißt sie herum. » Lass ihn. Ihm wird nicht geschehen. Merlin will verhindern, dass er mich erschießt. Er braucht mich, denn nur ich weiß, wo der Gral ist, der sich seiner Magie entzieht. Er kann ihn nur gemeinsam mit mir finden. «
    » Merlin? Wo ist er? Ich sehe niemanden ... «
    » Doch, du siehst ihn. « Galahad weist auf Richard, der sich im Schlamm wälzt und vergeblich versucht, auf die Beine zu kommen, während das Pfeifen zu einem dunklen Summen geworden ist. » Er ist auch in dieser brausenden Fesselmagie. «
    Emily folgt Galahad. Vater hat schon die Tür geöffnet, und als sie hinter ihnen zufällt, fragt Emily schweratmend: » Warum sind wir hier sicher, wenn er ein so mächtiger Magier ist? Was bedeutet für ihn eine Mauer aus Stein oder eine Tür aus Holz, Galahad? «
    » Nichts, Liebste. «
    Kenneth Blackmore starrt die beiden an, und sein Lächeln wird zu einem Fletschen.
    Liebste? Hat er doch Recht gehabt und dieser Mann hat sich seiner Tochter bemächtigt?
    Emily, die genau weiß, wie ihr Vater denkt, legt ihm ihre Hand auf den Unterarm. » Es ist alles richtig so, Vater. Wir lieben uns. «
    Der letzte Satz trifft den Mann wie ein Donnerschlag. Sein Sohn wälzt sich draußen im Dreck, seine Tochter an der Seite eines Mannes, den er noch vor einigen Stunden bitterlich verabscheute. So vieles ist geschehen in der letzten Zeit, das er nicht einordnen kann. Sollte Richard Recht haben und Galahad hat sie verzaubert, manipuliert, in seinem Bann? Und was soll das Gerede über einen Merlin und warum, zum Teufel, nennt Emily den Mann Galahad?
    » Wir sind hier nicht sicher? « , stöhnt Emily.
    » Deshalb muss ich zum Portal. Ich verschwinde, und ihr seid sicher. «
    » Du verschwindest? «
    » Mit dem Gral. «
    Sie starrt ihn an, und er senkt den Blick. Sie fasst in an die Hemdbrust und schüttelt ihn. » Sieh mich an. «
    Langsam hebt er den Blick.
    » Du willst ohne mich gehen? «
    Er nickt zu Kenneth. » Dein Vater braucht dich. Er verliert seinen Sohn, und wenn er nun auch seine Tochter verliert, wird ihn das umbringen. «
    Tränen schießen Emily in die Augen. » Ich dachte ... wir beide ... «
    » Ich liebe dich, Emily und werde dich immer lieben. Ich werde dich niemals vergessen, aber das, was geschehen ist, hat alles verändert. Ich kann diesem Mann nicht beide Kinder nehmen. Zuerst Richard, der aus seinem Hass erlöst werden muss und dann noch seine Tochter, die mir aus Liebe folgt. «
    Emily sieht zu ihrem Vater, der mit offenem Mund und Unverständnis zwei Schritte entfernt steht und nicht begreift, was vor sich geht. Sie hört Richard draußen heulen, und nun meint auch sie zu spüren, dass sich etwas dem Haus nähert, etwas Dunkles, etwas Gefährliches. Und sie begreift, dass jedes Wort die Gefahr für Galahad vergrößert.
    » Und wenn du Merlin tötest? « , murmelt sie. Ihr Kopf ist leer. Tränen rinnen über ihre Wangen. In ihr hausen Schrecken