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Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition)

Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition)

Titel: Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farmer
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sie ihr geschenkt. Sie hatte diese Uhr geliebt. Aber sie liebte Grace mehr als eine Uhr, viel mehr.
    »Soll ich auf Sie warten?«
    »Nein. Es wird länger dauern.«
    Misstrauisch zogen sich Silims Brauen zusammen. »Es wird sehr kalt werden heute Nacht«, murmelte er.
    Er hatte recht! Sie war viel zu leicht ge kleidet für diese Temperaturen. Sie machte sich jetzt keine Gedanken darüber, was danach sein würde. Falls es ein danach gab. »Fahren Sie, Mr Silim ! Ich danke Ihnen.«
    Der Araber winkte ab. Behände verschwand die Uhr in einer Tasche seines Kaftans. Er wendete sein Moped und fuhr davon.
    Das Tal der Könige. Eine Ebene. Unbedeutsam und enttäuschend, wenn man den Wert dieser Stätte an seiner Ausstrahlung und an seinem Mythos maß. Die Eingänge der Gräber waren schwarze Löcher im Sand. Eine steinige Hügelkette schützte das Tal. Linda hatte das Gefühl, vor einem belanglosen Amphitheater zu stehen. Alte Steine. Sand und Staub. Nichts, was das Auge erfreut hätte. Keine Säulen, keine Anlagen. Nichts Imposantes. Die wahren Werte befanden sich unter dem Sand.
    Vergeblich suchte Linda na ch Absperrungen oder irgendeine Art von Schutz. Lediglich um die Stätten der Geologen, derjenigen, die auch heutzutage noch mit Ausgrabungen beschäftigt waren, hatte man Zäune gespannt. Die Gräber waren allesamt schon vor langer Zeit geplündert worden. Die Steinrelikte waren interessant, aber viel zu schwer, als das s man sie einfach wegtransportieren konnte. Vermutlich würden die Türen zu den Gräbern verschlossen sein. Auch die der Grabkammer, in der Linda heute Morgen gewesen war?
    Was, wenn sie sich getäuscht hatte? Wenn Grace sich hier gar nicht befand? Wenn sie einem Hirngespinst aufgesessen war? Sie würde eine lange Nacht verbringen müssen. Alleine in der Kälte, halb wahnsinnig vor Angst um ihre Tochter. Sie würde auf den nächsten Tag und Busse der Reiseveranstalter warten müssen, ohne Grace helfen zu können.
    Sie zerstreute ihre Zweifel.
    Weibliche Intuition!, sagte sie sich und setzte sich in Bewegung. Es dauerte nicht mehr als fünf Minuten und sie stand vor einem Eingang, über dem ein Schild baumelte. Es warnte vor Einsturzgefahr , und es war dasselbe, das auch heute Morgen dort gehangen hatte.
    Linda ging die Stufen zur Tür hinunter. Eine Stahltür mit einem Schloss. Sie verharrte und blickte in den Himmel. Über ihr funkelten Meridian e Sterne. Zu jeder anderen Gelegenheit wäre es ein wunderbarer Anblick gewesen. Der volle Mond stahl sich hinter einer seltsam geformten Wolke hervor. Er tauchte die Stätte in ein kaltes Licht. Felsformationen warfen harte Schatten. Der Wind säuselte geheimnisvoll zwischen den Relikten. Linda wurde sich bewusst, dass sie alleine war. Alleine in einer der mysteriösesten Ausgrabungsstätten der Weltgeschichte. Hier spukten die Geister seit viertausendfünfhundert Jahren. Hier hatten religiöse Zeremonien stattgefunden, unvorstellbare Schicksale hatten sich erfüllt. Dieses Tal war ein Friedhof. Und wer spazierte schon gerne nachts über einen Friedhof? Kal te Finger kitzelten ihr Rückgrat .
    Sie drückte die Klinke der Stahltür. Weich wie Butter schwang sie auf. Linda seufzte. Nun hatte sie den letzten Schritt gewagt. Es gab kein Zurück. Sie lauschte angestrengt. Was sie hörte, war der Wind und das Pochen ihres Herzen s . Sie knirschte einen leisen Fluch. Sie war eine Närrin! Sie hatte vergessen, eine Laterne oder eine Taschenlampe mitzunehmen. Zitternd tastete sie nach einem Feuerzeug. Sie hatte Glück. Obwohl sie nicht rauchte, hatte sie ein Heftchen mit Streichhölzern bei sich. Sie hatte es gestern oder vorgestern in einem Souvenirgeschäft mitgenommen. Ein Werbegeschenk. Sie riss das erste Hölzchen an. Vergeblich. Die Streichhölzer waren nass geworden und nur unbefriedigend getrocknet. Sie versuchte es erneut. Zischend und Funken spritzend entzündete sich das nächste Holz. Sie hielt es von sich weg. Der Gang wölbte sich abwärts. An den Wänden schimmerten die ihr schon bekannten Zeichnungen und in den Fels gemeißelten Hieroglyphen. Dumpf fiel die Tür hinter ihr ins Schloss. Linda machte einen Satz nach vorne. Sie ließ das Streichholz fallen. Dunkelheit! Ratsch!, machte es und tatsächlich tat auch das nächsten Streichholz seinen Dienst. Lindas Finger bebten. Schnell suchte sie den Weg hinab ins Grab. Dort vorne war die Biegung, in der ihr der Vogelmensch begegnet war. Hier war sie bewusstlos geworden.
    Der Vogelmensch!
    Ba, hatte Akbar ihn

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