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Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition)

Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition)

Titel: Mystic Tales - Sammelband mit 4 Romanen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vanessa Farmer
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genannt. Ba, der Geist eines Verstorbenen.
    Nichts war zu sehen oder zu hören von Ba oder von irgendwem. Sie war alleine in einem Gang, der hinunter zu einer Grabkammer führte. Es war still. Ein leises Rascheln. Linda fuhr herum. Das Streichholz erlosch. Knistern. Mäuse? Es mussten Mäuse sein.
    Wenn sie ihre Fantasie nicht zügelte und zu viel nachdachte, würde eiskalte Panik sie erfassen. Als Kind hatte sie sich hin und wieder gefürchtet, in dunkle Keller zu gehen , und in langen Nächten hatte sie ihre nackten Füße immer unter die Bettdecke gezogen. Man konnte ja nie wissen, wer im Dunkel nach den ungeschützten Zehen griff. Sie hatte stets ein seltsames Gefühl gehabt, wenn sie alleine einsame Orte aufsuchte, und feuchte hallende Gemäuer hatten ihr schon immer einen Grusel den Rücken hinabgejagt. Dies war der Stoff, aus dem jene Filme gemacht waren, die sie nur dann mit Bernard angeschaut hatte, wenn sie ihr Gesicht schützend hinter einem Kissen hatte verstecken können. Es genügte, wenn sie mit einem Auge über den Kissenrand blinzelte, um die gruselige Handlung mitzuerleben.
    Es mussten Mäuse sein! Himmel noch mal - was erwartete sie? Sie hatte sich auf ein unheimliches Abenteuer eingelassen. Und Mäuse waren vermutlich nicht d ie einzigen, denen sie heute noch entgegentreten würde. Sie war mitten drin in einem Film, den es eigentlich nicht geben durfte. Und sie hatte kein schützendes Kissen bei sich.
    Sie fummelte ein neues Streichholz hervor. Es funktionierte nicht. Dann endlich fand sie eines, das trocken genug war. Schritt für Schritt ging sie abwärts. Sie erkannte alles wieder. Da vorne war die große Halle. Und wenn sie diese durchquerte, würde sie vor dem Eingang zur Grabkammer stehen. Dieser allerdings war eingestürzt.
    Waren seitdem wirklich erst zwölf Stunden vergangen?
    Linda konnte es kaum glauben. Zu unwirklich kam ihr alles vor.
    Sie lauschte und blieb stehen. Unter ihren Füßen rollten kleine Steinchen. Jeder Laut schien ihr überdimensioniert verstärkt. Jeder Schritt hallte im Dunkel von den Wänden wider. Sonst hörte sie nichts. Keine Stimme. Keine Grace!
    Machte sie sich lächerlich? Tapste sie hilflos hier herum, obwohl Grace ganz woanders zu suchen war? War alles vergeblich gewesen? Oder kam sie zu spät? Hatte Mamothma nicht auf sie gewartet? War die Zeremonie schon beendet? War Grace tot?
    Tränen traten in Lindas Augen. Sie zog geräuschvoll ihre Nase hoch. Verdammt, sie würde nicht weinen! Nein! Sie würde sehen, was sie machen konnte! Sie würde nicht aufgeben!
    Funken sprühten, als sie ein weiteres Streichholz entzündete. Sie schlich zum Eingang der Grabkammer. Vor ihr türmten sich Steine mannshoch auf. Der Eingang war verschlossen. Sie war in eine Sackgasse geraten. Falls dahinter etwas war, konnte sie es nicht erreichen. Umkehren war alles, was ihr blieb. Sie würde aufge ben. Den Eingang zu räumen würde Tage dauern. Die meisten der Steine würde sie keine drei Zentimeter bewegen können. Und was , um alles in der Welt, suchte sie dahinter?
    Es war, als habe jemand einen auf der anderen Seite der Steine angebrachten Scheinwerfer eingeschaltet. Durch die Lücken und Löcher, zwischen den Steinen hindurch, drangen hunderte feine Lichtstrahlen. Impulsiv ließ Linda sich fallen. Das Licht wirkte scharf gebündelt wie Laserstrahlen. War es bedrohlich? Über ihr streckten sich weiße Lichtlinien bis zur anderen Seite der Halle hin. Vorsichtig hob Linda eine Hand und ließ ihren Zeigefinger durch den Strahl gleiten. Es geschah nichts. Es war sehr, sehr helles Licht, das sich seinen Weg durch die Steine suchte.
    Und nun hörte Linda eine Stimme.
    Es war Grace.
    Und diese Stimme wimmerte in Todesangst.
    DIE STIMME VON GRACE!
    Es war noch nicht zu spät.
    Linda erhob sich vom Steinboden. Das Licht reflektierte von ihrem Körper. Es sah aus, als wolle es sie durchbohren. Das Wimmern von Grace klang wie der Hilferuf einer jungen Katze. Es war ein erstickter Laut, der aus der Grabkammer kam.
    »Ich komme, Liebes. Ich komme und helfe dir!«, rief Linda spontan. Sie scherte sich nicht darum, ob der Feind sie hörte. Sie wollte in erster Linie ihre Tochter beruhigen.
    »Mom!«, rief Grace von der anderen Seite der Steine. »Mom! Sei vorsichtig! Er ist - mächtig!«
    Linda ersparte sich eine Antwort. Es galt, auf die andere Seite der Steine zu gelangen. Sonst wäre sie dazu verdammt, Ohrenzeuge einer grausigen Zeremonie zu werden, ohne etwas dagegen unternehmen zu können.

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