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Mystic

Mystic

Titel: Mystic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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blieb dabei weiter auf Gallagher ruhen, doch hatte er sich irgendwie verändert, war konzentrierter geworden.
    »Je mehr
Tänzer
, desto mächtiger ist die Zeremonie«, versuchte sie ihn zu überzeugen. »Als die Sioux den Geistertanz tanzten, hatten sie Tausende –«
    »Würdest du deine Liebe töten, um zu glauben?«, fragte Danby Gallagher, bevor sie zu Ende sprechen konnte.
    Gallagher sah in Danbys Grabgesicht und brachte kein Wort heraus. Er wusste, dass sein Leben davon abhing, wie er antwortete. Den Bruchteil einer Sekunde lang überlegte er, was Danby wohl von ihm hören wollte. Gegen den dunklen Hintergrund seiner Gedanken sah er Emily und die formlose Gestalt, die ihr abgetriebenes Kind darstellte.
    »Ja«, sagte er aufrichtig, »ich würde meine Liebe töten, um zu glauben.«
    Danby ließ einen summenden Ton aus seiner Brust aufsteigen. Die Machete schwebte in der Luft und fand dann die perlenbesetzte Scheide. Er schob den Beilgriff zwischen das Klebeband und die Fallschirmkordel, mit denen Gallaghers Handgelenke gefesselt waren, und schleifte seine zwei Zentner über den Boden wie einen kleinen Sack Kartoffeln.
    Danby lud Gallagher vor den Kerzen ab und zerrte dann Andie herüber, um sie in einem Winkel von fünfundvierzig Grad zu Gallagher zu setzen. Er selbst kniete sich zwischen sie, die Tagebuchteile, die Haarlocke, die Steine und die leeren Lederbeutel vor sich. Seine freie Hand kramte in einem Rucksack und holte ein kleines Marmeladenglas hervor. Er schraubte es auf und drückte mit dem Daumen etwas von einer Masse, die aussah wie eine Mixtur aus getrocknetem Spinat und Pilzen, in Ten Trees’ Pfeife. Dann beugte er sich vor, bis die Kerzenflamme am Rand des Pfeifenkopfes leckte, und saugte am Mundstück. Die Pfeife glimmte auf, entzündete sich und qualmte.
    Er hielt Andie das Mundstück hin. Sie schüttelte den Kopf. »Ich möchte tanzen, Charun.«
    Danby sah sie streng an. »Du hast doch immer gesagt, das Rauchen würde uns schneller auf die andere Seite bringen, Angel!«
    Andies Blick glitt zu Gallagher hinüber, der ihr zunickte. Sie nahm das Mundstück zwischen die Lippen. Danby kam mit seinem Mund über den Pfeifenkopf und blies hinein. Sie keuchte und hustete, als der Rauch in ihren Hals drang.
    »Noch einmal«, befahl Danby, und sie nahm einen zweiten und noch einen dritten Zug. Alle Spannung wich aus ihren Schultern. Er schnitt das Klebeband und die Schnur um ihre Knöchel durch und wandte sich dann mit der Pfeife Gallagher zu. Gallagher meinte, Andie würde jetzt den Schlag gegen Danby wagen, da er ihr den Rücken zukehrte und sie die Füße frei hatte. Doch stand ihr nur der Mund weit offen, und sie starrte wie benommen ins Leere.
    »Dies ist meine Religion, Bruder«, sagte er und hielt Gallagher das Mundstück hin. »Dies und der Tanz werden uns über den Fluss bringen.«
    Gallagher biss auf den Stiel und bemühte sich, so wenig Rauch wie möglich hindurchzulassen, in der Hoffnung, er würde Danby angreifen können, wenn dieser auch ihm die Fußfesseln löste. Doch Danby blies auch diesmal in den Pfeifenkopf, und scharfer Rauch durchflutete Gallaghers Lunge.
    Beim ersten Zug begann es in Gallaghers Kopf zu klingeln. Beim zweiten Zug wurde das Klingeln von einer Verstärkung und Feinabstimmung der Hintergrundgeräusche in und um die Hütte begleitet: dem Summen der Fliegen, dem fernen Schreien der Raben, dem Knacken loser Baumrinde im Wind. Beim dritten Zug verwandelte sich alles in das ohrenbetäubende Tosen eines Wildwassers, das gegen Felsen donnert.
    Gallaghers Körper fühlte sich wie gelähmt an, und er bekam panische Angst, nicht mehr atmen zu können. Dann wurde er sich plötzlich überdeutlich bewusst, wie sich seine Brust hob und senkte. Eine glitzernde smaragdgrüne Flüssigkeit quoll bei jedem Atemzug aus seinem Mund. Der Schweiß auf Danbys Körper wurde ein metallenes, leuchtendes Feuer. Wenn er sich bewegte, züngelten Flammen hinter ihm her.
    Danby beugte sich nieder und schnitt die Fesseln an Gallaghers Fußgelenken auf. Gallagher schrie innerlich: So kämpf doch! Aber jedes Gelenk seines Körpers war wachsweich geworden. Danby legte die Pfeife in den Deckel des Marmeladenglases auf dem Boden, nahm Many Horses’ Steine und ihre Haarlocke in die Hand und starrte dann wie verzückt auf die Seiten des Tagebuchs, wobei seine Lippen lautlos Worte und Sätze wiederholten, die die Welt zuletzt vor mehr als hundert Jahren gehört hatte.
    Die Kerzenflammen wuchsen zu riesigen,

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