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Mystic

Mystic

Titel: Mystic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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explodierenden Feuerbällen an, die zum Himmel emporleckten und Gallagher zu zerschmelzen drohten. Und dann verschwanden die Feuerbälle, und Gallagher wurde sich bewusst, dass eine Männerstimme tief und heiser sang. Danby war aufgestanden und sang, die Seiten des Tagebuchs fest zwischen Daumen und Zeigefinger, als hielte er ein Gebetbuch bei einem Gottesdienst.
    Danbys Bauchmuskulatur bewegte sich, als er in Intervallen zu einer Macht des Lebens betete, die Gallagher in seinem veränderten Zustand augenblicklich für die Wahrheit hielt. In Gallaghers Kopf tauchte das vergilbte Bild einer Herde kupferfarbener Pferde auf, die in wildem Galopp über eine gleißende, staubige Ebene rasten, auf einen Tafelberg zu, um den herum ein Sturm tobte. Blitze teilten den Himmel über dem Tafelberg, doch die Pferde galoppierten immer weiter auf ihn zu, bis sie nur noch Punkte in einer riesigen, öden Wildnis waren.
    Danby legte Gallagher eine Seilschlinge um den Hals und zog ihn auf die Füße. Dann schob er ihm den Pfeifenstiel ins Gesicht und starrte ihn mit fanatisch glühenden Augen an. Gallagher nahm noch einen vierten Zug, und die Luft um ihn her füllte sich mit Schaumblasen. Andie tauchte aus dem Gebräu auf, auch sie hatte eine Schlinge um den Hals. Sie schien von einem gelben, glühenden Schein umgeben zu sein, einer Aura, die sich wölbte und mit jedem Atemzug zu Gallagher hin ausdehnte.
    Danbys eklige Hände wickelten sich in die Schlingen um ihre Hälse. Er zog sie nah zu sich heran. Sein Gesang wurde lauter, tiefer und drängender. Er schob den linken Fuß vor, wobei er den Oberkörper senkte und wieder hob und sie zwang, seinen Bewegungen zu folgen. Das Singen ging endlos weiter, alle Worte verschmolzen miteinander, bis er, wie in einem Refrain, am Ende jeder Strophe sang: »Großvater, ich sende dir eine Stimme! Zu den Himmeln des Universums sende ich eine Stimme hinauf.«
    Gallagher konnte nichts dagegen tun; mit Danby zusammen sang er: »Ich sende eine Stimme. Ich sende eine Stimme.«
    Eine Zeitlang, die Gallagher wie Stunden schien, war nur das Singen zu hören; die raue Schlinge rieb die Haut auf, der eine Fuß schleifte nach links, dann der andere. Schließlich war Gallagher unter großer Anstrengung in der Lage, sich so weit zu konzentrieren, dass er Andie ansah, um nach einem Zeichen zu forschen, dass sie noch im Besitz ihres Verstandes war, obwohl sie in den Armen des Wahnsinns tanzten.
    Doch ihr Gesichtsausdruck war leer. Ihre Kinnlade hing schlaff herunter. Fest an Danbys Brust gepresst, war sie nur noch eine Hülle ihrer selbst.
    Dann sah Gallagher alles wieder wie durch ein Fernglas, und Andie verwandelte sich in eines jener kupfernen Pferde, die über die Ebene auf den Tafelberg zugaloppierten und sich immer weiter entfernten. Sie verschwand in einer Schlucht an der Seite des Bergs, und Gallagher rannte hinter ihr her, wobei Danbys monotoner Trommelgesang leiser und leiser wurde.
    Am Eingang der Schlucht war es kalt und eigenartig still. Gallagher rief nach Andie, erhielt jedoch keine Antwort. Er kroch tief in die Schlucht hinein. Die Felsen wurden glitschig von Schleim. Er stolperte durch Schlamm und über ölige Pflanzen und Felsbrocken zum hinteren Teil der Schlucht. Die Wand dort war gebogen und beinahe senkrecht. Sie verschwand im Nebel dreißig Meter weiter oben. Rinnsale rostroten Wassers sickerten aus dem Nebel über Moos, Farne und giftige Blumen herab, die auf den Flecken schwarzer Erde wuchsen, die hier und da die Felsen bedeckten.
    Die letzten dreißig Meter der Schlucht hatten die Form einer Schale, die vielleicht fünfzehn Meter tief in die Erde hineinreichte. In der Mitte der Schale, dort, wo sie am tiefsten war, wuchs ein Ring glänzend roter, peitschenförmiger Pflanzen, die nicht mit Blättern oder Knospen, sondern mit Dornen bedeckt waren. Sie stachen und schnitten in Gallaghers Haut, als er durch sie hindurchschritt, und er schrie vor Schmerz auf. Doch der Gedanke, dass Andie diesen Weg genommen hatte, ließ ihn weiter voranschreiten. Er teilte die letzten Peitschen mit den Händen und stand schwankend am Rande einer Grube, die sich gähnend schwarz vor ihm auftat. Der üble Gestank von Verwesung wehte aus dem Loch herauf.
    Gallagher schwankte auf dem Rand hin und her, dann stürzte er, sich immer wieder überschlagend, ins Leere und schrie laut im Gefühl einer übelkeiterregenden rasenden Schwerelosigkeit, die sich von seinem Magen her ausbreitete und durch sein Rückgrat nach

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