Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mystic

Mystic

Titel: Mystic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
Vom Netzwerk:
sah sich in dem Raum suchend nach seiner Schrotflinte um, konnte sie aber nirgends entdecken. Es waren überhaupt keine Waffen zu sehen, abgesehen von einem Tomahawk und einer Machete, beide in perlengeschmückten Scheiden an der Hüfte des wahnsinnigen Mannes.
    Andie sah zu Gallagher hinüber, lächelte ihn liebevoll an und formte mit dem Mund die Worte: »Vertraue mir.«
    Er nickte, war sich jedoch bewusst, dass er noch nie zuvor in seinem Leben so viel Angst gehabt hatte.
    »Terrance?«, sagte Andie plötzlich. Sie sprach sanft, mitleidsvoll.
    Der Körper hörte auf, sich hin und her zu wiegen, und schien an Umfang zuzunehmen. Die Maske wandte sich schnell zu ihr herum. Der Riese sah sie einen Augenblick lang an. Dann zog er sein Beil aus der Scheide.
    »Terrance Danby ist tot, so tot wie das Gesindel von Lawton, das ihn hervorgebracht hat«, knurrte er. »Jetzt lebt nur noch Charun!«
    Gallagher drückte sich in Erwartung des Angriffs ganz in seine Ecke. Doch im nächsten Augenblick schlug die Aggressivität des Monsters in Selbstmitleid um.
    »Sie haben Terrance gehasst«, sagte er. »Sie haben sich über ihn lustig gemacht! Persephone, meinst du etwa, dass Lawton ihn nach all diesen Jahren achtet?«
    »Sie reden nur noch von dir«, versicherte Andie ihm. »Persephone weiß, dass du gelitten hast, Charun. Du bist es gewesen, der mich auf die andere Seite brachte. Du kannst mich noch einmal hinüberfahren. Nimm mir die Fesseln ab. Ich kann dir helfen.«
    Die Maske sank auf seine linke Schulter, als würde er vom Rauch des Elixiers ohnmächtig, das in seiner Blutbahn kreiste. »Mir helfen?«
    »Jawohl.« Andie sprach im verstehenden Tonfall eines Therapeuten. »Du kennst unseren Mythos, Charun: In jedem Sommer komme ich aus dem Hades zurück, dem Land der Toten. Ich kann dir helfen, dorthin zu gelangen, das zu sehen, was ich sehe.«
    »Ich habe es gerochen«, sagte er, als spräche er zu sich selbst. »Ich habe seine Stille gehört.«
    »Aber du hast noch nie das andere Ufer gesehen«, erwiderte Andie. »Mach mich los. Wir wollen den Geistertanz tanzen.« Das Ungeheuer starrte sie lange an. Andie zuckte nicht mit der Wimper.
    Er legte die Haarlocke, die Pfeife und die Steine vorsichtig vor sich auf den Boden. Dann stand er auf und kam auf sie zu, den Tomahawk locker in der Hand haltend. Andie hielt ihm ihre gefesselten Handgelenke hin.
    Doch auf halbem Wege hielt er inne, als fiele ihm etwas ein. Er sah Gallagher durchdringend über die Schulter an, der diesem Blick, so gut er konnte, standhielt, weil er wie Andie sein und dem Tod ins Auge sehen wollte, ohne es zu zeigen. Doch als Gallagher in jene Augen blickte, sah er das Unerwartete und wich instinktiv noch weiter gegen die Wand zurück.
    Charun kam auf ihn zu und baute sich vor ihm auf. »Wie heißt du, Bruder?«
    »Patrick Gallagher«, krächzte er.
    Der andere zog die Machete aus der perlenbesetzten Scheide, die fast genauso aussah wie die an der Wand in Monsignore McColls Arbeitszimmer. »Du weißt, was jetzt geschehen muss, nicht wahr, Patrick?«, stellte er fest, als spräche er alte, bittere Weisheiten aus.
    Er schlurfte näher und zückte die Machete, deren Scheide nur ein paar Millimeter vor Gallaghers pochender Schläfe stoppte.
    »Hast du Angst, Bruder Patrick?«, fragte der Riese mit einem nachgeahmten irischen Akzent, der Gallagher erschreckend an die raue Mundart seines Vaters erinnerte. »Wenn du mich ansiehst, riechst du da nicht schon den Fluss?«
    Er zog sich die Maske vom Kopf. Danby war stark gealtert seit dem Foto als Sergeant-Major; sein Gesicht war viel hagerer geworden, die Augen lagen tiefer in den Höhlen, und Haar und Bart waren spärlich, von grauen Strähnen durchsetzt und extrem kurz geschnitten. Sein Zahnfleisch war von den Zähnen zurückgewichen, die sich gelb verfärbt hatten. Er beugte sich nahe zu ihm herunter, und Gallagher nahm seinen rauchigen, nach Brackwasser stinkenden Atem wahr. Der Wahnsinn des Ganzen überfiel Gallagher mit voller Wucht, löschte seinen Willen aus und weckte in ihm das Verlangen, sich wie ein kleines Kind, das in der Nacht allein ist, zusammenzurollen.
    »Kannst du den Fluss riechen, Bruder?«, fragte Danby.
    Gallagher hörte sich wimmern: »Ja.«
    Danby streichelte Gallaghers Schläfe mit der Schneide des Tomahawks. »Willst du jetzt hinübergehen?«
    »Charun!«, schrie Andie. »Tu das nicht! Du brauchst ihn doch noch!«
    »Wozu?«, fragte Danby und ließ den irischen Akzent fallen. Sein Blick

Weitere Kostenlose Bücher