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Mystic

Mystic

Titel: Mystic Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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Bruder?«

47
    Der Angriff kam, bevor Gallagher sprechen oder handeln konnte.
    Er kam durch Zeit und Raum und blaues Tuch und traf mit der ganzen Wucht eines brutalen Schlages den Hinterkopf Danbys. Unter seinem Aufprall zuckte Danby zusammen wie eine Marionette, an der ein Faden reißt, und etwas Dunkles, mit elektrischer Energie Geladenes pulsierte durch den Raum. Das Monster brach zusammen und fiel zu Boden, wo es schwach atmend liegen blieb.
    Der Tomahawk polterte auf Gallagher zu. Er griff danach in demselben Moment, in dem ein schwarzes Hosenbein durch den Stoff brach, der das Fenster bedeckte. Gallagher hatte sich auf den Rücken gerollt. Seine Finger streckten sich nach dem Beilgriff aus. Da versetzte ein fester Wanderstiefel der Waffe einen Tritt und schleuderte sie in den Schatten.
    »Gott sei Dank, dass Sie gekommen sind!«, schluchzte Andie.
    Sie wälzte sich auf den Rücken neben Danby und versuchte mit ihren gefesselten Händen, die Hose über die Hüften hinaufzuziehen.
    Gallagher starrte über die Schulter auf das schwarze Hemd und den Priesterkragen von Monsignore Timothy McColl. Der Priester hielt einen mit grünen Flechten bewachsenen Eichenast von der Größe eines Baseballschlägers in der Hand. Das Gesicht des Priesters war gerötet. Sein Kiefer mahlte unablässig, und seine Augen schossen von Gallagher zu Andie und dann zu den Tagebuchteilen und den Beuteln neben den Kerzen.
    »So befreien Sie uns doch, Monsignore«, keuchte Gallagher. McColl beachtete ihn gar nicht, sondern ging hinüber zu dem Tagebuch. Er nahm die einzelnen Teile mit zitternder Hand hoch. »Endlich«, murmelte er ungläubig. »Da ist es endlich!«
    »Bitte«, bat Andie eindringlich. »Sie müssen uns helfen, Pater.«
    Wie der Kopf einer Wüsteneidechse ging McColls Kopf in ihre Richtung: langsam, gezielt, reptilienartig. Plötzlich schlossen sich seine Augen. Er knirschte mit den Zähnen und presste sich die Hand auf den Magen.
    »Pater?«, wiederholte Gallagher leise für sich selbst, und allein bei diesem Wort wurde ihm schlagartig bewusst, dass der Priester nicht ihre Rettung, sondern eine weitere Bestätigung ihres Unheils war. In allen Briefen von Charun hatte Gallagher das Wort »Vater« als Danbys Vater Franco verstanden. Pater bedeutete »Vater«, und Gallagher fiel jetzt ein, dass Danby McColl kennengelernt hatte, lange bevor der Priester zum Monsignore aufgestiegen war. Der Priester war also Danbys »Vater«.
    McColls Augen öffneten sich wieder, und er atmete schwer. Er blickte wild umher wie ein Mann, der eine fremde Goldmine besetzt hat und sich anschickt, seinen geraubten Schatz zu verteidigen. Gallagher rappelte sich auf, versuchte, auf die Füße zu kommen, um den Tomahawk an sich zu bringen. Andie hatte sich herumgewälzt und bemühte sich, an die Machete zu gelangen, die in der Scheide unter Danbys reglosem Körper steckte.
    McColl bewegte sich nun so flink wie eine Katze. Er versetzte Gallagher mit seinem Stiefel einen harten Tritt in die Rippen. Gallagher stöhnte auf und krümmte sich zusammen. Der Priester trat ihn noch ein zweites Mal, und Gallagher versuchte, sich von den Tritten zu entfernen und sich in den Schatten dicht hinter den flackernden Kerzen zu rollen.
    McColl glitt zu Andie hinüber. Er benutzte das Ende des Eichenastes, um sie von Danby fort und gegen die Hüttenwand zu schieben. »Beweg dich nicht, Andie«, sagte er eisig. »Ich möchte nicht, dass du mehr leidest, als notwendig ist.«
    Er packte Danby bei den Fußknöcheln und schleifte die reglose Bestie in eine Ecke.
    Als Gallagher wieder zu Atem kam, schlossen sich seine Finger um einen kalten und scharfgezackten Gegenstand unter ihm. Das abgebrochene Stück Holzrahmen enthielt einen spitzen Dolch aus Spiegelglas. Er schaffte es, die Scherbe umzudrehen und die scharfe Seite an das Klebeband und die Fallschirmleine zu legen, mit denen seine Hände gebunden waren. McColl sah zu ihm herüber, und Gallagher erstarrte.
    »Sie haben die ganze Zeit über gewusst, wer die Morde in Lawton beging«, sagte Andie. »Sie haben Danby von Sarah Many Horses’ Tagebuch berichtet, nicht wahr?«
    »Das brauchte ich gar nicht.« McColl lachte leise. Er wandte sich von Gallagher ab und blickte mit sichtbarer Freude auf die Tagebuchseiten. »Terrance hat mir schon von dem Tagebuch erzählt, als er dreizehn Jahre alt war, aber damals meinte ich, es entstammte der seltsamen Phantasie eines sehr gestörten jungen Menschen. Stell dir diesen kindischen Unsinn

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