Mystic
vor: Die Kritzelei einer Heidin sollte den Schlüssel dazu enthalten, dass man in den Himmel schauen kann!«
McColl streckte die Hand aus und strich über die vergilbten Blätter, die Steine, die Haarlocke und den Pfeifenkopf. »Doch hier ist es!«
»Was hat Sie dazu gebracht, dass Sie Ihre Meinung geändert haben und glaubten, dass es doch existierte?«, fragte Andie.
Seine Aufmerksamkeit wandte sich jetzt ganz ihr zu. Gallagher sägte am Klebeband und an der Fallschirmleine und spürte, wie das Glas einschnitt.
McColl hatte seinen Spaß. »Ich merke, du willst die ganze Geschichte hören«, sagte er. »Nun, das ist vielleicht das mindeste, was ich tun kann, bevor … nun …«
»Bevor Sie uns umbringen?«, fragte sie.
»Ich bin ein Geistlicher«, protestierte McColl. »Es wird so sein, dass Terrance, mein geliebter Sohn, euch getötet hat aus irgendeinem verrückten Grund, den die Polizei vielleicht niemals ganz erkennen wird, weil das Feuer diese schäbige Hütte verschlingen wird, wenn alles vorbei ist. Aber es wird zu seiner Vorgeschichte passen. Tod, auf den Feuer oder Wasser folgt. Sie werden sich schon eine Theorie ausdenken – irgendwas über eine furchtbare Kindheit und ein ebenso verderbtes Erwachsenenleben. Ich werde natürlich ein bisschen unter die Lupe genommen, aber das wird schon vorbeigehen. Es geht ja immer vorbei. Ich bin immer sehr vorsichtig gewesen.«
Der Priester begann, die Seiten des Tagebuches behutsam zusammenzulegen.
Gallagher sah zu Andie hinüber und formte mit dem Mund: »Weiterreden!«
Andie nickte. »Wann kamen Sie denn zu der Überzeugung, dass das Tagebuch tatsächlich existiert?«
McColl sah vom Tagebuch auf und zu ihr hinüber. »Nahezu fünfzehn Jahre lang hatte ich nicht daran gedacht, bis ich nach Lawton zurückkehrte und mit den Recherchen zu Pater D’Angelos Fall begann«, sagte er. »Pater D’Angelo war ein Heiliger. Er wirkte wirklich Wunder. Mein eigener Vater war bei einem zugegen. Ich hörte als Heranwachsender dauernd davon, und dann lag ich immer nachts wach und dachte darüber nach, was ihn wohl zum Heiligen gemacht hatte, während ich doch ein solcher Sünder war.«
Der Priester schlug sich dreimal mit der Hand an die Brust. »Ganz genau, ein Sünder. Ich weiß, wer ich bin und was ich getan habe.«
Gallagher spürte, wie die äußere Lage Klebeband nachgab, und hielt im Schneiden inne, als McColl ihm einen Blick zuwarf. »Sie haben D’Angelos Teil des Tagebuchs gefunden, stimmt’s?«, fragte Gallagher.
»Vor vier Monaten«, nickte McColl. Er rollte Many Horses’ Steine in einen der Lederbeutel. »Tief vergraben in den Ordnern mit der umfangreichen Korrespondenz von Pater D’Angelo fand ich einen Brief an den Bischof, der aus irgendeinem Grunde nach seinem Tod nicht abgeschickt worden war. Darin schrieb er von dem Tagebuch und seinen eigenen siebenbändigen Aufzeichnungen und beschrieb dem Bischof, wo er über den Balken auf dem Dachboden des Pfarrhauses einen Kasten versteckt hatte. Im Brief stand, dass das, was in dem Kasten sei, ›den verderbten Charakter seiner Wunder‹ erklären würde, wie er es ausdrückte. Ich suchte und fand den Metallkasten.
Pater D’Angelo hatte zwei Teile des Tagebuchs der Sioux-Squaw«, fuhr der Priester fort. »Der erste Teil, vielleicht zehn Seiten lang, enthält einen Haufen heidnisches Zeug über verschiedene Zeremonien, die ihr von ihrer Mutter und ihrem Vater beigebracht worden waren. Der zweite Teil stammt aus einer viel späteren Zeit ihres Lebens und handelt von ihren Zusammentreffen mit Pater D’Angelo.«
»Wann kam es denn dazu?«, fragte Andie. McColl wandte sich ihr zu, und Gallagher begann wieder zu schneiden. »Im September und Oktober 1893 «, sagte er und nahm dabei den Tonfall eines Professors an, der über sein Lieblingsthema doziert. »Sie berichtet Pater D’Angelo, wie Joshua Danby bei seinen Séancen Geister erscheinen ließ. Ein totaler Betrug. Pater D’Angelo hielt es völlig zu Recht für eine gotteslästerliche Handlung. Er wollte die Danbys entlarven. Man muss die Zeit verstehen, die Leute traten überall im Lande in Scharen aus der Kirche aus, um solchen Scharlatanen zu folgen, und Pater D’Angelo verachtete Joshua Danby, weil er fast ganz Lawton dazu gebracht hatte, an seine ›Religion‹ zu glauben.
Bei den Besuchen, die die Squaw Pater D’Angelo in Lawton abstattete, war sie von Mal zu Mal beunruhigter. Sie erzählte, dass Joshua fast dauernd ein narkotisierendes Elixier
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