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Mystik des Herzens

Mystik des Herzens

Titel: Mystik des Herzens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingrid Riedel
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von inspirierten Mitschwestern ihres Ordens oder auch von einer inspirierten Buchmalerschule, wie es sie damals in vielen Klöstern gab, gemalt. Bei den frühen Kodices ihrer Schriften, z.B. in dem Scivias- Codex vom Rupertsberg, ist es möglich, dass die zugehörigen Buchmalereien sogar noch zu ihren Lebzeiten gemalt wurden, so dass sie auch von Hildegard selbst gesehen und damit autorisiert worden sein könnten.

    Was Hildegard erfährt und weitergibt, ist außergewöhnlich. Mir ist wichtig, dass wir sie in ihrer wahren Größendimension erkennen und nicht nur als diejenige, die einige Heil- oder Kochrezepte überliefert hätte. Kochrezepte hat sie wahrscheinlich überhaupt nicht weitergegeben, sondern es sind allenfalls Heilrezepte aus ihrem Klosterspital, gewiss auch wohlschmeckende darunter, die sie im Rahmen ihrer Sammlungen niederschrieb. Das Grün wiederum,das »Frau Weisheit« in Gestalt eines Seidenmantels trägt, verkörpert die »Herzkraft himmlischer Geheimnisse«. Als von Gott gezeugte und von ihm her zeugende Kraft, wie Hildegard es verstand, wirkt sie in allem Grünen, nicht nur der Natur, sondern, im übertragenen Sinn auch in der Vereinigung von Mann und Frau. 25 Hildegard hat die Grünkraft nicht zuletzt in der Sexualität wirksam gesehen. Auch als Keimkraft im werdenden Kind ist die Grünkraft stark. Im Frühjahr weckt sie die Natur, im Herbst kocht sie zur Reife, was die Natur an Früchten hervorbringt, zum Beispiel auch die Trauben. Den Wein hat Hildegard geschätzt, stammt sie doch aus einer Gegend, in der der Weinbau seit alters betrieben wird.
    Viele ihrer Rezepte sind mit Wein versetzt, z.B. der berühmte »Herz-Wein«, der aus Wein mit Honig und Petersilie besteht. Hildegard denkt ökologisch. Sie ist davon überzeugt, dass es keine größeren Dürrezonen auf der Erde gäbe, wenn sich der Mensch immer wieder mit seiner Quelle der göttlichen Grünkraft verbände. Nur durch die Absonderung des Menschen von der Quelle der Grünkraft und durch die sich daraus ergebenden unheilvollen Entwicklungen werde die Erde immer mehr durch Unfruchtbarkeit gefährdet. Hildegard war überzeugt, dass es nicht einmal der Pflege der Gärten und Felder bedürfe, wenn der Mensch in der ursprünglichen Schöpfungsordnung lebe. Dann vermöchte die Grünkraft alles zu durchpulsen. Es ist keine Frage, dass diese Aussage nicht wörtlich, aber symbolisch sehr ernst zu nehmen ist.
    Vom Konkreten bis hin zum Spirituellen ist nach Hildegards Sicht alles von dieser Kraft durchströmt, einer Keim- und Schöpfungskraft, die zugleich, wie es die Farbenergie Grün immer tut, Ruhe und Gleichgewicht mit sich bringe, eine ausgleichende Kraft. Grün ist ja die Farbe zwischen Blau und Gelb, zwischen der Höhe des Lichtes und der Tiefe des Wassers, aus beiden polaren Farbelementengemischt. Es ist die Farbe, in der alle Dinge zur Ruhe kommen.
    Diese Vorstellung Hildegards von der Heilkraft des Grün setzt sie auch in ihren Vorschlägen zur Behandlung kranker Menschen um. So kennt sie die wohltuende Wirkung dieser Farbe auf die Sehnerven müder oder kranker Augen. Den Menschen, die an überanstrengten Augen leiden, schlägt sie vor: hinauszugehen auf eine grüne Wiese und sie so lange anzuschauen, bis ihre Augen wie vom Weinen nass werden, bis die Augen von dem Grün übergehen, überquellen: »Das Grün dieser Wiese nämlich beseitigt das Trübe in den Augen und macht sie wieder sauber und klar.« 26

    Hildegard kennt die Kraft der Imagination, wie wir sie heute nennen. Die therapeutische Kraft solcher Imagination 27 , also der Bilder, die wir innerlich als »Tagträume« aufsteigen lassen, wird von Carl Gustav Jungs Aktiver Imagination bis zum heutigen psycho-somatisch orientierten »katathymen Bilderleben« in der Medizin wiederentdeckt. Am bekanntesten ist das Verfahren von Prof. Hanscarl Leuner 28 geworden, das jeweils auch von dem Motiv einer innerlich vorgestellten »Wiese« ausgeht. Leuner sagte mir einmal im Vertrauen, er hätte bei der Entwicklung seines Verfahrens viel von der mystischen Tradition gelernt. Seine Methode ist heute ein anerkanntes psycho-somatisches Verfahren, das in zahlreichen Kliniken angewandt wird.
    So kennt auch Hildegard noch umfassendere Übungen, in denen Imagination und Zuwendung zur wirklichen Natur sich ergänzen. Einer ihrer Vorschläge lautet zum Beispiel: Es solle der Mensch hinausgehen auf eine grüne Wiese, sich hineinlegen und sich vorstellen, dass alle Säfte und Kräfte des Grases, der

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