Mythica Bd. 5 - Göttin der Rosen
Auch ihre Augen hatten ihm gesagt, dass sie Angst hatte vor dem Biest und dass sie es verabscheute. Langsam, ohne einen weiteren Berührungsversuch zu wagen, sammelte er die herumliegenden Fadenbündel auf und packte sie wieder in die Palla. Dann richtete er sich auf und ging die Treppe hinunter, ohne sich einen weiteren Blick auf Mikki zu gestatten. Sie stand immer noch an der Brüstung und beobachtete ihn mit großen Augen.
»Ich wollte Euch nicht verletzen. Ich bitte Euch auch nicht, mir zu verzeihen, denn ich weiß, dass das unmöglich ist, aber ich bitte Euch, mir zu glauben, dass ich Euch nicht verletzen wollte. Ich würde Euch niemals etwas antun wollen.« Mit einem erstickten Knurren wandte er sich ab und floh in die Nacht hinaus.
Als er verschwunden war, wischte Mikki sich zitternd mit der Hand über den Mund und zuckte zusammen. Vorsichtig tastete sie mit der Zunge über den Schnitt in ihrer Lippe. Sie hatte nicht einmal gewusst, dass seine Zähne dafür verantwortlich waren. Mit weichen Knien stieg sie langsam die Wendeltreppe hinauf, ging aber nicht in ihr Zimmer, sondern weiter den Balkon entlang und die Treppe an der Ostseite wieder hinunter. Zum Glück brauchte sie Daphne nicht zu rufen. Wie angeordnet hatten die Dienerinnen in der Nähe des Bads große Körbe mit dicken Handtüchern, zusätzlichen Chitons und Nachthemden sowie Seifen, Ölen und Weinkrügen aufgestellt. Natürlich hatten sie protestiert, dass es ihre Pflicht sei, zu jeder Tages- und Nachtzeit den Wünschen der Empousa nachzukommen. Aber Mikki war hart geblieben – sie hatte gewusst, dass sie allein und ungestört würde baden wollen, sie hatte allerdings nicht gewusst, dass es schon so bald der Fall sein würde.
Sie wickelte sich aus dem Chiton, füllte einen Kelch mit Rotwein aus einem Krug, ließ sich behutsam in eines der dampfenden Becken sinken und schnappte kurz nach Luft, als das Mineralwasser die Kratzer auf ihrem Rücken erreichte.
Sie war zutiefst erschrocken. Sie hatte ihn geküsst, und es hatte ihr gefallen. Sein Geschmack war männlich gewesen, mit etwas Moschusartigem gemischt – etwas ebenso Fremdartiges wie Erregendes. Und er hatte sich angefühlt wie … sie fröstelte. Er hatte sich angefühlt wie aus Stein, nur dass sein Körper warm und unglaublich kraftvoll gewesen war. Und er hatte sie begehrt. Verzweifelt begehrt. Sie hatte gespürt, wie seine Muskeln sich unter ihrer Berührung zusammenballten und bebten. Sie hatte seine Erektion genossen, die sich hart und groß an sie presste, und ihr Körper hatte mit einer Hitze und Feuchtigkeit reagiert, die sich verdammt gut anfühlte. Sie hatte sich an ihm gerieben, verführerisch, erotisch, sie hatte es geliebt, seinen Körper durch den dünnen Seidenstoff ihres Chitons zu fühlen. Das tiefe, grollende Knurren, das er in ihren Mund gehaucht hatte, war ungeheuer aufregend gewesen. So reagierte er auf sie! Sie war es, die dieses unglaublich starke Tier im Arm hielt und zum Zittern brachte. Sie hatte sich mit ihrer Weichheit an ihn geschmiegt, und es war wie in ihrem Traum gewesen, nur noch besser. Sie musste nicht allein und erschöpft nach einem einsamen Orgasmus aufwachen. Er war bei ihr. Sie konnte ihn haben – ganz und gar.
Dann hatte sich plötzlich Schmerz in die Lust gemischt. Sie wusste, dass er seine Krallen nicht absichtlich ausgefahren hatte. Er war ganz in sie versunken gewesen, und vermutlich hatte die Leidenschaft diese Reaktion ausgelöst. Mikki hatte versucht, es ihm zu sagen, ihn wegzuschieben. Zuerst hatte er sie anscheinend nicht gehört, und dann …
Sie seufzte und schloss die Augen. Dann war er entsetzt und schockiert gewesen. Er hatte die Angst in ihren Augen gesehen, und das hatte ihn in die Flucht geschlagen – vor allem, weil sie ihn danach nicht mehr an sich herangelassen hatte. Das hatte er völlig missverstanden. Verständlicherweise. Wie viele Frauen hatten ihn wohl schon, Angst in den Augen, angeschaut? Wahrscheinlich war die letzte Empousa eine davon gewesen. Als er ihr gesagt hatte, Hekate hätte keinen Grund gehabt, ein Gesetz zu erlassen, das dem Wächter und der Empousa verbot, einander zu begehren, da hatte er durchblicken lassen, dass nichts zwischen ihnen gewesen war. Aber Mikki wusste, dass er etwas verheimlichte. Alle verheimlichten etwas vor ihr. Die andere Empousa hatte ihm das Herz gebrochen. Vielleicht hatte Hekate ihn deshalb weggeschickt, damit er über sie hinwegkam. Vielleicht hatte sie die andere Priesterin
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