Mythica Bd. 5 - Göttin der Rosen
gefeuert, weil die ihn abgewiesen hatte. Wer konnte das wissen? Wer kannte in diesem sonderbaren Reich der Träume und der Magie die Gründe für irgendetwas?
Mikki dachte an den hoffnungslosen Gesichtsausdruck, mit dem Asterius sie verlassen hatte. Auch sie hatte ihm das Herz gebrochen. Aber das hatte sie nicht gewollt. Sie war nur so geschockt gewesen – geschockt und ängstlich –, als seine Krallen über ihren Rücken gekratzt hatten, denn sie hatte mit einem Lustrausch darauf reagiert. Am liebsten hätte sie die Zähne in seine Lippe geschlagen und ihn angefleht, sie auf der Stelle zu nehmen, hart und schnell, immer wieder. Um zu spüren, wie seine Kraft sie füllte, und zu wissen, dass seine Lust, seine Leidenschaft, seine kaum kontrollierte Gewalt ihr gehörte. Mikki schauderte bei der Erinnerung daran, wie es sich angefühlt hatte, sich vorzustellen, dass sie nach ihm verlangen konnte, wann immer sie wollte, und dass er mit dem gleichen Feuer auf sie reagieren würde, bis sie schließlich so befriedigt war, wie sie keiner der unzulänglichen Männer in ihrem Leben je hatte befriedigen können. Es hatte sie überwältigt, fasziniert und schockiert, dass sie plötzlich ein Gespür dafür bekommen hatte, was sie wirklich befriedigen würde – und zu wissen, dass dieses »Was« kein Mann, sondern ein Tier war.
Die schlichte Wahrheit war, dass sie nicht vor ihm Angst bekommen hatte, sondern vor sich selbst.
27
»Ich glaube, wir haben eine Menge geschafft, vor allem für einen halben Tag Arbeit.« Mikki rieb sich die Hände und ließ den Blick über die ordentlichen Beete frisch gedüngter Rosen wandern, die Hekates Tempel umrahmten. Wenn sie nicht zu genau hinschaute und auch nicht zu intensiv an die seltsame Übelkeit dachte, die sie ergriff, sobald sie sich in die Nähe der kranken Rosen begab, erschien der Garten beinahe normal, vor allem in der Nähe des Tempels. Hier blühten die Rosen in allen Schattierungen von Lavendel und Violett, und sogar in ihrem traurigen Zustand erfüllte ihr süßer Duft die Luft. Wasser floss von den Becken des riesigen Brunnens und rieselte beständig in die Marmorrinnen, die sich von seiner Basis bis in alle vier Ecken des Gartens erstreckten. Nera hatte erklärt, dass der Brunnen alle Rosenbeete mit Wasser versorgte, und Mikki hatte noch nie so ein schönes Bewässerungssystem gesehen.
»Die Arbeit geht gut voran. Viele Frauen hatten heute sogar Spaß dabei«, stellte Gii fest.
»Wahrscheinlich nur, weil es ein Gerücht gibt, dass ich einen Zauber wirken werde, der Männer ins Reich einlädt.« Trotzdem erwiderte Mikki das Lächeln ihrer Dienerin. Die Frauen hatten wirklich hart und, vor allem heute, auch mit einer guten Einstellung gearbeitet. Mikki war sich dessen bewusst, weil sie selbst den ganzen Morgen mit ihrer schlechten Laune zu kämpfen gehabt hatte, die sie aber mit allen Mitteln zu verheimlichen versuchte.
Verdammt! Von Asterius hatte sie den ganzen Vormittag weder Huf noch Horn zu Gesicht bekommen. Zugegeben – sie hatte ihn auch nicht gerufen. Dafür hatte es keinen Grund gegeben, denn die meisten schweren Arbeiten waren bereits tags zuvor erledigt worden. Heute konzentrierten sich die Frauen auf das Schneiden verwelkter Blüten und das Entfernen schwacher Stiele. Dafür brauchte man Asterius’ Muskelkraft nicht, aber er hätte doch wenigstens auftauchen können, um guten Morgen zu sagen oder nach ihnen zu schauen oder sonst etwas – irgendetwas!
Mikki verstand natürlich, dass er glaubte, sie hätte ihn ein für alle Mal zurückgewiesen, nachdem er sie verletzt und ihr Angst gemacht hatte. Aber sie wollte ihn sehen. Sie hatte erwartet, dass er von sich aus erscheinen würde, denn sie wollte ihn nicht zwingen, zu ihr zu kommen, sie wollte ihn nicht einmal darum bitten. Sie wollte, dass er kam, weil er nicht wegbleiben konnte.
»Empousa, soll ich die Frauen wegschicken, oder möchtet Ihr sie lieber dabeihaben, wenn Ihr den Kreis beschwört und die Zaubersprüche sprecht?«, erkundigte sich Gii.
»Oh, entschuldige. Ja, schick die Frauen ruhig weg. Ich möchte die Beschwörung lieber noch ohne Publikum ausführen.« Mikki versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. »Und sag bitte den anderen Dienerinnen, dass ich zuerst die Magiearbeit machen möchte. Danach können wir dann essen.«
»Ja, Empousa.« Gii eilte davon.
Mikki runzelte die Stirn und kaute auf der Unterlippe. Statt sich den Kopf wegen Asterius zu zerbrechen, hätte sie sich lieber auf den
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