Mythor - 050 - Die Mauern von Logghard
jemand, andere Stimmen fielen ein, und dann erscholl es im Chor: »Wir wollen den Sohn des Kometen sehen!«
Der Ruf verhallte wieder, als neue Legionäre nachdrängten. Nur Kalathee harrte auf ihrem Platz aus. Plötzlich hatte sie das Gefühl, von durchdringenden Augen beobachtet zu werden. Sie sah an der Sänfte vorbei und entdeckte dahinter eine verhüllte Gestalt. Das Gesicht lag im Schatten einer Kapuze, aber sie sah darin streng blickende Augen – und an der Stelle des Mundes eine vernarbte Naht. Ein Großer! Wieder erklangen Pfeiflaute, als die neugierige Menge herandrängte. Diesmal drehten die Krieger der Erleuchteten Garde ihre Lanzen herum und stießen die Legionäre mit den Enden der Schäfte unsanft zurück.
Kalathee war wiederum nach vorne gedrängt worden und bekam den Schaft einer Lanze im Unterleib zu spüren. Sie krümmte sich wie unter Schmerzen, obwohl es gar nicht so weh tat. Ein Gardist beugte sich zu ihr herunter, um ihr behilflich zu sein. Sie wollte die Gelegenheit nützen, um zur Sänfte zu eilen.
Doch da wurde sie von hinten am Arm ergriffen, und die schrille Stimme Kejlins sagte: »Komm, Kalathee, wir müssen weiter. Der Große ist bereits auf dich aufmerksam geworden…«
Kalathee stieß mit dem Ellbogen nach dem Verwachsenen und sprang gleichzeitig nach vorne. Sie schlüpfte an dem Gardisten vorbei und erreichte die Sänfte.
Jetzt oder nie! sagte sie sich. Sie musste sich einfach Gewissheit verschaffen. Sie griff nach dem Vorhang der Sänfte. Da packten sie von hinten kräftige Arme und zogen sie zurück. Sie hörte das Geräusch zerreißenden Stoffes und sah, wie der schwere Brokat nachgab. Der Vorhang teilte sich und gab den Blick auf den Sohn des Kometen frei.
Kalathee schrie vor Entsetzen und Enttäuschung. Sie blickte in ein blasses, fremdes Gesicht mit rötlichen Augen!
Der Große im Hintergrund pfiff aufgeregt. Einige Gardisten hoben die Sänfte auf und trugen sie fort. Zwei von ihnen aber stürzten sich auf Kalathee. Sie schrie und schlug wild um sich.
Auf einmal waren Samed und Kejlin da und rangen verbissen mit den beiden Kriegern. Kalathee kam frei, und dann waren es auch ihre beiden Helfer. Kejlin ergriff ihre Hand, zog sie mit sich und verschwand mit ihr in der Menge.
Kalathee folgte wie im Traum, sie fühlte nichts als Hoffnungslosigkeit und Enttäuschung. Luxon… Mythor, was war aus ihnen geworden, wenn ein Fremder als Sohn des Kometen ausgegeben wurde?
Samed redete auf sie ein, während sie durch verwinkelte Straßen hasteten. Kejlin gab mit seiner schrillen Stimme unverständliche Anweisungen und zog sie unaufhaltsam mit sich.
Luxon! Luxon! Der Name des Geliebten hämmerte in ihrem Geist, sie konnte an nichts anderes denken. Wenn dem Geliebten etwas zugestoßen war, dann wollte auch sie nicht mehr leben. Wie konnte ein Fremder, der nicht einmal die Waffen des Lichtboten besaß, der Sohn des Kometen sein? Sie verstand es nicht. Was war geschehen?
Irgendwann merkte sie, dass sie sich in einem Gebäude befand. Es ging eine Wendeltreppe hoch, also stiegen sie in einen Turm hinauf. Und danach kamen sie in einen unheimlich wirkenden Raum, der voll war mit unbekanntem Gerät. Mittendrin thronte eine kleine, verhutzelt wirkende Gestalt in einem Magiergewand.
»Meister…«, begann Kejlin und gab eine Reihe von unverständlichen Erklärungen ab.
Als er geendet hatte, sagte der fast zwergenhaft kleine Magier: »Sieh mich an, Kalathee!« Und sie musste gehorchen. Sie hatte keinen eigenen Willen mehr, ihr war alles egal.
Jetzt erst merkte sie, dass der Magier eine grünlich schimmernde Haut hatte. Was für ein seltsames Wesen! Er war kein Troll und war kein Mensch. Zumindest gehörte er keinem ihr bekannten Volk an.
»Was hat dich am Anblick des Sohnes des Kometen so entsetzt?« fragte dieses seltsame Wesen.
»Er… er war ein Fremder«, antwortete Kalathee.
»Und wen hast du zu sehen erwartet?«
»Luxon… oder auch Mythor«, antwortete Kalathee wahrheitsgetreu, sie konnte nicht anders.
»Luxon oder Mythor«, wiederholte der kleine, grün-gesichtige Magier versonnen. »Seltsam, dass du diese beiden Namen in der falschen Reihenfolge nennst. Aber wie auch immer – sie sind mir beide bekannt. Ich kenne sie von den Splittern des Lichts, vom Koloss von Tillorn her. Ich bin Vangard, den man den Süder nennt. Vielleicht hast du schon von mir gehört?«
Kalathee nickte. Aber diese Begegnung bedeutete ihr nichts, denn sie erwartete sich von Vangard keine Hilfe.
»Ich
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