Mythor - 084 - Stadt der Amazonen
Backenknochen; eine fingerbreite, schlecht verwachsene Narbe zog sich vom linken Nasenflügel über den Mundwinkel. Spitz trat die Hakennase hervor. Den Haarknoten bedeckte sie mit einem grellroten Tuch. Sie trug ihre zwei Schwerter und dazu einen Wurfhammer, der immer wieder Sogias Blick auf sich zog.
Etwas kleiner war die neben ihr stehende Nakido, etwas mehr als halb so alt wie Skasy, aber durch ihre körperliche Breite größer wirkend. Sie schien ausschließlich aus Muskeln zu bestehen; allein ihre Arme waren stärker als manch anderer Amazone Oberschenkel. Sie trug ihre volle Rüstung, die ihren Körper noch unförmiger wirken ließ. Selbst ihre Brüste waren Muskelberge, durch die Eisenschale der Rüstung noch künstlich vergrößert, und ihr Bauch glich in seinen Abmessungen dem einer Ringerin aus den Arenen, die ihr ganzes Leben nur auf diesen Kampfsport ausgerichtet hatte. Kantig war ihr Schädel, breit waren Mund und Nase, und die bösartig funkelnden Augen standen fast zu weit auseinander. Sie trug Schmuck, der sie indessen nicht zierte, sondern allenfalls noch grimmiger aussehen ließ; Eisenplättchen in den Mundwinkeln, halbmondförmige Ohrringe und Schmucknadeln, die das zu einem Knoten geschlungene rote Haar durchstießen.
Abstoßend, dachte die Matria. Sie mochte Nakido von Horsik nicht. Auf ähnliche Weise wie Nakido pflegten sich auch die anderen Amazonen förmlich zu entstellen, die dem Horsik-Geschlecht angehörten, sogar die nicht blutsverwandten Kriegerinnen in Nakidos Gefolge. Schon von weitem waren sie zu erkennen.
Nakido war die jüngere Schwester der Horsik-Burgherrin Vereda.
»Der Krieg ist bereits entfesselt«, sagte Nakido plötzlich mit ihrer harten Stimme, die etwas abgehackt wirkte. »Jene haben ihn eröffnet!« Dabei sah sie die neben ihr stehende Skasy drohend an.
Skasys Hand flog hoch, packte die gepanzerte Schulter der anderen und wirbelte sie herum. »Wage diese Lüge zu wiederholen!« fauchte sie. »Du weißt genau, wer begann!«
Nakido schüttelte die Hand ab. Es war nicht ratsam, unter den Augen der Matria einen Kampf zu beginnen.
»Den Kampf begann, wer sich Anakrom-Land zu eigen machte«, sagte sie hart.
Die Matria schien sie beide mit Blicken durchbohren zu wollen.
»Burra von Anakrom übertrug die Ländereien ihrer Domäne an Narein, nicht anders geschah es und mit meiner Billigung«, stellte sie fest.
»Es ist nicht rechtens!« schrie Nakido wütend. »Matria, du weißt es! Man hätte alle fragen sollen, wem Anakrom zufallen möge! Und schon gar nicht diesen räudigen Hündinnen von Narein!«
Skasy schwieg, merkte sich aber Nakidos Worte gut. Nakido sah es in den Augen der feindlichen Amazonenführerin kurz aufblitzen und wußte, daß sie sich in acht zu nehmen hatte.
Sogia kam auf sie zu, schritt die Stufen herab und blieb dicht vor den beiden Gegnerinnen stehen. Nacheinander sah sie ihnen in die verhärteten Gesichter.
»In Ganzak bestimmt die Matria, was geschieht«, sagte sie leise und drohend. »Vergeßt das nie auf euren Burgen. Horsik und Narein… gerade jetzt ist es vonnöten, einig zu sein! Große Ereignisse dräuen unter dem Schwertmond, und ihr wißt es wie ich und alle anderen auch! Vergeßt euren Streit! Schließt Frieden und stellt euch gemeinsam der größeren Gefahr!«
»Die Friedenshand«, sagte Nakido kalt, »reicht man keiner Hündin, sondern nimmt die Peitsche!«
»Genug!« fuhr Sogia sie an. Sie wandte ihnen wieder den Rücken zu und schritt die Stufen hinauf zu ihrem Sessel, in den sie sich fallen ließ. Sie atmete schwer.
»Horsik und Narein«, wiederholte sie.
»Seit langer Zeit herrscht Fehde zwischen euch! Warum? Nennt mir den Grund, wenn wenigstens ihr ihn noch wißt! Niemand weiß ihn! Ein Krieg«, sie lachte höhnisch und bitter auf, »für den es keinen Grund gibt, und ihr wollt ihn führen! Ihr seid Närrinnen, kleine Kinder!«
Die beiden Kriegerinnen starrten die Matria, die Herrscherin und Landesmutter von Ganzak, an.
»Können wir gehen?« fragte Nakido plötzlich.
»Ja, geht!« schrie die Matria. »Aus meinen Augen!«
Skasy und Nakido wandten sich gleichzeitig ab und verließen den Saal, ohne sich zu verneigen.
Sogia starrte ihnen nach. »Dies«, murmelte sie im Selbstgespräch, »war der fünfte Versuch, mit ihnen zu reden, und auch er brachte wieder nichts ein. Zu verhärtet sind Fronten und Ansichten.«
Sie sank in ihrem Sessel förmlich zusammen. Eine ihrer Leibwachen sah es, klatschte in die Hände, und ein
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