Mythor - 084 - Stadt der Amazonen
an.
»Ich will ja nicht behaupten, wem du ähnlich siehst!« keifte Gerrek zornig.
»Wem denn?«
Der Beuteldrache schnob verächtlich. »Nichts gegen deinen Kopf, Kalisse, aber Runkeln… die gehören doch wohl in den Keller!«
Kalisse erblaßte, dann grinste sie wieder. »Du machst dich, mein Lieber. Man könnte fast vergessen, daß du einmal ein Mann warst, aber die nächste Beleidigung dieser Art, und deine Zähne stecken in meiner Eisenhand.«
Unwillkürlich tastete Gerrek zu den beiden rechts und links traurig aus dem Drachenmaul hängenden Fangzähnen.
Sie gingen langsam weiter. Nach einer Weile weitete sich die Gasse aus, wurde breiter, und es stank auch nicht mehr so durchdringend nach Abfällen. An einer Stelle hatte sich massenweise Frauen versammelt. Laute Rufe erklangen, und Metall klirrte gegen Metall.
»Was ist denn da los?« brummte Scida neugierig.
Sie schoben sich auf die Menge zu und hinein. Gut ein halbes Hundert Frauen hatte sich hier versammelt und umringte etwas. Es war ein abgezäuntes Areal, einer Arena nicht unähnlich.
Und in dieser Abzäunung wurde gekämpft.
*
Immer noch hielt ihn die magische Starre umfangen. Man hatte sie nicht gelöst, auch jetzt nicht. Er konnte sehen, wo er sich befand, konnte denken, aber nicht handeln.
Auch seine körperlichen Bedürfnisse schienen gleichsam eingefroren zu sein. Er verspürte keinen Hunger und keinen Durst, und das seit Anbeginn der Starre vor vielen Tagen, wie viele es auch sein mochten.
Immer wieder mußte er an Zaem und Burra denken, die ihren Weg zum Hexenstern mit Sicherheit längst fortgesetzt hatten. Wie weit mochten sie schon gekommen sein?
Mit jedem Tag verlor Mythor Zeit. Und er wußte nicht einmal wie viele Tage verstrichen waren.
Jetzt befand er sich in einem Haus. Rings um ihn erhoben sich steinerne Wände. Das Tuch, mit dem man ihn verhüllt hatte, hatte man erst hier entfernt, und wieder wußte er nicht, ob es Tag oder Nacht war, denn es gab keine Fenster in diesem Raum. Kerzen verbreiteten ein Ungewisses, blakendes Licht.
Dann kamen sie.
Sie waren zwölf, und sie kamen direkt auf ihn zu.
*
Roxa spürte den leichten Ruck und fuhr herum. Gleichzeitig tastete ihre Hand dorthin, wo sie den Ruck gespürt hatte. Der Lederbeutel war verschwunden!
»Beim Dörrest des Streitbaums«, zischte die Narein-Amazone. Ein paar Spayolerinnen sahen sie grimmig an, einige schauten ebenso grimmig auch dorthin, wo sich jemand eilig entfernte. Aber niemand versuchte den Flüchtenden aufzuhalten.
Ein Mann! schoß es Roxa durch den Kopf. Ausgerechnet ein Mann!
Sie setzte ihm nach, brach sich ihre Bahn. Das Geschehen auf dem Übungsplatz, dem sie zugeschaut hatte, war vergessen. Sie mußte ihr Geld zurückerhalten!
Sie teilte rechts und links Fausthiebe aus, wo man ihr nicht rasch genug Platz machte. Dem Dieb schien es leichter zu fallen, durch die Menge zu schlüpfen. Mehr als seine grüne Mütze sah sie nicht mehr. Sie selbst wurde durch die Masse ihrer Rüstung behindert, der Dieb war schlank und schmal und beweglich.
Plötzlich sah sie ihn nicht mehr. Sie lief noch ein paar Schritte weiter, aber der Dieb blieb verschwunden. Er war schlau genug gewesen, im Zuschauerring zu bleiben, anstatt in eine der seitwärts führenden Gassen zu flüchten, wo Roxa ihn rasch eingeholt hätte.
Sieben Kupferstücke waren fort!
Fast ihr ganzer Besitz! Zorn stieg in ihr auf, und am liebsten hätte sie ganz Spayol niedergebrannt. Ausgerechnet ein Mann hatte sie bestohlen!
Mit geballten Fäusten schob sie sich weiter durch die Menge. Irgendwie mußte sie den Kerl wiederfinden, gleich wie. Der Zufall mochte ihr helfen.
Er konnte sich schließlich nicht unsichtbar gemacht haben.
Und dann sah sie ihn.
Sie sah, wie seine Hand vorzuckte, eine schmale Klinge in der Hand, um eine weitere Geldkatze vom Gürtel ihrer rechtmäßigen Besitzerin zu lösen.
Warte! dachte Roxa grimmig. Diesmal entkommst du mir nicht, Bürschchen!
Sie stürmte wieder vorwärts.
*
Eine Gestalt, deren gelber Mantel den hageren Körper umwallte und sie als Hexe im zehnten Rang auswies, stand reglos in einem Hauseingang. Ihre Augen waren in unablässiger Bewegung, um sich nichts entgehen zu lassen.
Plötzlich versteifte sich ihr Körper. Die Augen wurden zu schmalen Spalten, als sie drei Personen sah, die sie nur zu gut kannte. Sie waren ganz nah, unterhielten sich und erreichten einen abgezäunten Übungsplatz. Sie sahen die Hexe im gelben Mantel nicht, die noch einen Schritt
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