Mythor - 086 - Die Chronik der Burg Narein
verbündeten Hexen schienen mit einer ganz bestimmten Wirkung des Hexenhammerschlages zu rechnen.
Ein Dutzend Frauen hatten sich auf dem Hügel eingerichtet. In der Nähe stand eine Koppel frischer Pferde bereit. Von der Kuppe konnte man auch sehr leicht Raems Ziel erkennen.
»Wann geht es los?« fragte Ploder. Er hatte sein Schreibgerät mitgenommen.
»Das wirst du noch früh genug merken«, sagte Jayda.
Sie spähte in die Runde. Im Lager war es lebendig geworden. Diejenigen, die es vorzogen, länger zu schlafen, standen nun allmählich auf.
Plötzlich stieß Jayda Ploder an.
»Dort hinten«, sagte sie leise und deutete mit dem Finger. »Ist sie das?«
Ploder sah scharf hin. Mit einiger Mühe erkannte er die Person, auf die Jayda deutete.
Er wurde blaß.
»Eine von den dreien«, sagte er leise.
»Dachte ich es mir doch«, knurrte Jayda. »Mehr brauche ich nicht zu wissen. Ich kenne jetzt auch die beiden andern. Du bleibst hier, Ploder, und wartest auf mich.«
»Was hast du vor?«
Jayda lachte böse auf.
»Du wirst es erleben«, sagte sie. Unwillkürlich griff sie nach ihrem Schwert. Ploder schluckte.
»Muß das sein?«
»Ich sehe keinen anderen Weg. Kümmere dich nicht darum, das ist Frauenarbeit. Schreib du auf, was hier passiert, und künde es kommenden Geschlechtern.«
Sie warf Ploder ein anzügliches Zwinkern zu, das diesen einmal mehr erröten ließ, dann stapfte sie davon.
Sie ließ einen Ploder zurück, der sich sehr unbehaglich vorkam, denn er war der einzige Mann auf dem Hügel unter nun fast zwei Dutzend Frauen. Zum Glück kümmerten sie sich nicht um ihn.
Jayda nahm sich, wie Ploder noch sehen konnte, ein Pferd aus der Koppel und jagte dann davon. Nach ein paar hundert Schritten war sie im Nebel verschwunden.
»Es wird langsam Zeit«, sagte eine der Amazonen.
Ploder spürte, wie sich die Haare auf seinen Armen und Beinen aufzustellen begannen. Das gleiche geschah mit seinem Haupthaar, und als er die Frauen in der Nähe ansah, erkannte er, daß es den anderen nicht besser erging. Die Frauen sahen sich an, versuchten die sich sträubenden Haare mit den Händen herunterzudrücken, aber es gelang nicht. Funken sprühten zwischen den Haaren.
»Es geht los«, sagte eine der Amazonen, und ihre Stimme verriet Furcht.
Irgend etwas griff nach Ploder, kroch durch seine Glieder. Er sah auf das Lager herab.
Grünlicher Schein umloderte Raems Zelt. Es war plötzlich sehr finster geworden, alles Licht schien sich zu sammeln, um Raems Zelt mit seinem Leuchten zu erfüllen.
Stärker wurde das Gleißen, stieg in die Höhe.
Die Pferde standen völlig reglos, mit gesträubten Mähnen und Schwänzen. Furcht griff nach jeder Seele.
Höher wuchs der fahlgrüne Schein, stieg zum Himmel empor, verästelte sich, wuchs und schwoll und stieg an. Gewaltiger und riesenhafter wurde die zuckende Säule aus grünem Licht, die sich immer greller gegen das jähe Schwarz des Himmels abzeichnete.
»Entsetzlich«, stieß eine der Amazonen hervor. »Ich habe niemals etwas Ähnliches gesehen.«
Im ersten Augenblick glaubte Ploder, die Furcht überschwemme sein Hirn mit Gaukelbildern, dann aber war er sicher, das leise Grollen gefühlt zu haben, das durch den Boden ging.
Es war, als erzitterte die Erde vor Furcht, als bebte sie, geschüttelt vom Schrecken über das, was auf der Oberfläche geschah. Himmelhoch wuchs das grüne Leuchten an.
Vom Lager war nichts mehr zu sehen. Es war in tiefem, undurchdringlichem Dunkel verschwunden. Ploder konnte nur dann etwas sehen, wenn er die Hände zwischen sich und das Leuchten brachte - und er sah, angstgeschüttelt, seine Knochen durchscheinen.
Nichts anderes bot sich dem Auge dar - ein Baum aus grünem Licht, stark sich verästelnd, auseinanderfächernd am Himmel. Zu seinen Füßen, umzuckt von grellem Schein, Raems Zelt.
Und dann - Ploder schrie angsterfüllt auf - zuckte die Erde. Sie bäumte sich auf.
Blitzartig verschwand der Spuk.
Gerade noch hatte Ploder die Augen abgewendet, weil er den Anblick nicht mehr zu ertragen vermochte, und einen Herzschlag später sah er das Land wieder, vom Nebel überzogen, scheinbar friedlich und ungestört.
Hatte er geträumt?
Er sah zurück. Raems Zelt stand in der Mitte des Lagers, auch dort war von dem gräßlichen Schauspiel, das sich gerade dargeboten hatte, nichts mehr zu erkennen.
»Seht! Seht doch! Nach Süden!«
Ploder fuhr mit dem Kopf herum.
Gewaltig türmte sich der Himmel im Süden Singaras. Ein düsteres Rot lag
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