Mythor - 086 - Die Chronik der Burg Narein
notierte er die Namen - Kalisse, Tertish, Scida, Gudun, Gorma. Das seltsame Wesen hieß Gerrek und konnte sich - oh Wunder - selbst vorstellen.
Und der Mann hieß Mythor.
Obwohl er sich auf einer Amazonenburg aufhielt, zeigte er nicht die geringste Scheu. Er tat gerade so, als sei er selbst dem Waffenhandwerk viele Jahre hindurch nachgegangen.
»Wie sieht es aus?« wollte Kalisse wissen.
»Seht selbst«, versetzte Vilge. »Die Horsikerinnen greifen uns wieder einmal an und werden sich einmal mehr blutige Nasen holen. Burg Narein ist uneinnehmbar.«
»Haha«, ließ sich mürrisch der Beuteldrache vernehmen. »Das haben schon viele behauptet.«
Vilge sah den Beuteldrachen wütend an.
»Sei still!« herrschte sie ihn an.
»Wir werden, wenn es euch recht ist, bei der Verteidigung helfen«, sagte - Phyter kam aus dem Staunen nicht mehr heraus - Mythor. Und keine der Amazonen fuhr ihm über den Mund - er mußte sich also ihren Respekt verschafft haben.
Vilge wölbte die Brauen.
»Wer bist du, daß du solche Sprache führst?« fragte sie.
Mythor lächelte und zuckte mit den Schultern.
»Ich bin ich selbst«, sagte er. »Das genügt.«
»Ein Mann wie Caeryll«, spottete Vilge.
Mythor zuckte zusammen. Er sah Vilge scharf an.
»Welchen Namen sprichst du da aus?«
Jetzt war die Reihe an Vilge, verblüfft zu sein.
»Caeryll«, sagte sie. »Und was hast du damit zu schaffen?«
Auf diese Weise konnten die beiden noch stundenlang fragen, dachte Phyter, ohne von der Stelle zu kommen. Glücklicherweise erschien in diesem Augenblick Swige auf dem Plan.
Phyter war ein wenig enttäuscht, als Kalisse Mythor knapp als Burras Beutemann vorstellte, zu dessen Freunden der lustige Beuteldrache rechnete, den Phyter nicht sehr ernst nahm. Vilge allerdings hatte dieser Vorstellung mit zusammengekniffenen Augen gelauscht und war damit nicht einverstanden.
»Seid mir willkommen«, sagte Swige. »Gern würde ich euch helfen, Burg Anakrom zu erreichen oder jeden anderen Ort - aber ihr seht selbst, daß wir ein gewichtiges Problem werden lösen müssen.«
»Wir werden euch zunächst helfen, die Horsikerinnen zu Paaren zu treiben«, sagte Tertish. »Dann sehen wir weiter.«
»Geh, tu deine Pflicht, Chronist«, sagte Swige zu Phyter. Der Mann entfernte sich ein wenig verdrossen. Er runzelte die Stirn, als er sah, daß Mythor ihm folgte.
»Du bist Chronist?« fragte der Fremde forschend.
»Das ist meine Bestimmung«, sagte Phyter, der ein wenig neidisch auf das Schwert an der Seite des Gastes schielte. »Meine Sippe führt seit Urzeiten die Chronik von Burg Narein. Jede Ruhmestat einer Narein-Amazone wurde aufgezeichnet, und es ist eine umfangreiche Chronik daraus geworden.«
»Das glaube ich gern«, sagte Mythor. »Aber gerade ist ein Name gefallen, der mich fesselt.«
»Caeryll?«
Die beiden hatten Phyters Arbeitszimmer erreicht. Phyter zündete eine Lampe an. Ihr Schein fiel auf die zahlreichen Rollen und Bündel, aus denen die Chronik von Burg Narein bestand. Weiteres Material wurde in den Gewölben der Burg geborgen.
»Was hat Burg Narein mit Caeryll zu tun?« fragte Mythor drängend. Seine Wißbegier erschien Phyter etwas befremdlich, aber er berichtete dennoch, was auf Burg Narein ohnehin jeder wußte.
»Vor mehr als drei Großkreisen, und das ist sehr lange her, hat es einmal einen Kampf gegeben. In der Bucht draußen, weit im Westen, ist damals Garbica von Narein mit dem Mann Caeryll zusammengetroffen.«
»Und?«
»Es kam zum Streit«, berichtete Phyter. »Dieser Kampf hat sich zugetragen, bevor mein Ahne Ploder das Amt des ersten Chronisten von Burg Narein aufnahm, und daher konnte er uns nur bruchstückhaftes Wissen übermitteln. Eines aber steht fest - Garbica hat den Mann Caeryll geschlagen und gezwungen, mit seiner schimmernden Stadt Carlumen die Flucht zu ergreifen.«
»Und? Weiter! Laß dir doch nicht jedes Wort aus der Nase ziehen!«
»Genau das rate ich dir auch, Mythor!«
Phyter fuhr herum. Unbemerkt war Vilge eingetreten. Mythor sah die Hexe verwundert an.
»Was willst du, Vilge?« fragte Phyter, erbost darüber, daß man ihm die Unterhaltung mit dem fesselnden Mann störte.
»Du begehrst mehr zu wissen über Caeryll?« fragte Vilge. Sie lehnte sich neben der Tür an die Wand und sah Mythor forschend an.
»In der Tat«, sagte Mythor.
»Und warum?«
»Ich habe meine Gründe«, sagte Mythor gelassen.
»Du erwartest, daß wir dir alles berichten, was wir über Caeryll wissen, aber du willst uns
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