Mythor - 088 - Kampf um die Burg
das furchtbare Kämpfen sah, das dort tobte - Frau gegen Frau, Schwert gegen Schwert. Eine Hundertschaft horsikscher Bognerinnen eilte im Laufschritt heran und belegte die Zinnen mit ihrem Pfeilhagel. Drei andere Trupps schafften Leitern heran, legten sie neben der Bresche an die Mauer, kletterten mit Katzengewandheit in die Höhe.
Skasys Gesicht war reglos, kein Muskel zuckte. Sie beugte sich hinab, sah auf den Hof hinunter.
»Jetzt!« rief sie.
Eine Biffa, die auf dem Hof der Innenburg aufgebaut worden war, wurde ausgelöst. Der Hebel schnellte hoch, schleuderte einen hellen, nicht erkennbaren Gegenstand durch die Luft. Die Spannbalken ächzten und knirschten, als das Wurfgeschütz wieder gespannt wurde.
»Schneller!« trieb Skasy die Frauen an.
Derweilen schossen sich die Ballisten auf einen Bereich ein, der den Horsik-Amazonen den Nachschub bedrohte. Ein Tribok, sechs Mannslängen hoch, von einer Hundertschaft bedient, warf das Gewicht von etlichen Zentnern dem Feind entgegen - aber auch dieses Katapult schoß an der Bresche vorbei, über sie hinweg.
Phyter spähte über den Rand der Brustwehr hinab auf den Hof. Womit ließ Skasy die Horsikerinnen unter Beschuß nehmen?
Das Summen verriet es ihm, und im nächsten Augenblick konnte er bei der Mauer auch schon den Erfolg von Skasys neuem Einfall absehen.
Es waren Bienenkörbe, die mitten unter den angreifenden Amazonen einschlugen. Vor Schwertschlägen und Lanzenstichen hatten diese Frauen keine Angst, aber die stichwütigen Immen setzten ihnen so zu, daß sie nur zwei Möglichkeiten sahen - nach vorn oder zurück. Der Vormarsch wurde jetzt aber durch den wütenden Gegenangriff der Nareiner unmöglich gemacht.
Also ging es zurück.
Phyter notierte alles sorgfältig. Er schrieb, was geschah, aber er ließ die Kreide nur die nüchternen Tatsachen aufzählen - die Verluste waren schrecklich, die die Horsikerinnen hinzunehmen hatten. Ihr Rückweg führte durch den Geschoßhagel der nun präzise eingerichteten Katapulte und Ballisten.
Phyter war erleichtert, daß er nur von den Verlusten zu schreiben hatte - was für Schreckensszenen sich dort auf dem Weg zur Burg abspielten, konnte er aus dieser Entfernung nicht erkennen. Die künftigen Geschlechter, für die die Chronik bestimmt war, würden sich ausmalen müssen, was sich hinter den dürren Worten verbarg: der Kampf um das Südtor verlief sehr verlustreich für die Angreiferinnen.
»Für heute werden sie genug haben«, sagte Skasy gelassen. Phyter schauderte ein wenig, als er die Strategin kalt und teilnahmslos den Erfolg ihrer List einschätzen hörte. Vielleicht ließen sich Schlachten nur mit dieser Geisteshaltung führen und gewinnen.
»Und wenn das Ersatzheer kommt?« fragte Phyter. Skasy zog die Brauen in die Höhe.
»Ich glaube nicht daran«, stieß sie hervor. »Wir werden aber hören, was Kalisse und ihre Gefährtinnen zu berichten haben. Danach werden wir handeln.«
*
Den ganzen Tag über griffen die Horsikerinnen an. An vielen Stellen gelang es ihnen für kurze Zeit, Teile der Wehranlage in ihren Besitz zu bringen, aber sie wurden überall nach verlustreichen Kämpfen wieder zurückgeschlagen. Phyter vermerkte sorgfältig jeden Angriff, und ihm entging auch nicht, daß die Schanztruppen des feindlichen Heeres unermüdlich an der Arbeit waren.
Zweierlei zeichnete sich ab. Zum einen war die Ebenhöhe bald fertig. Die Mauerfront wurde mit dicken Lederschichten geschützt gegen Beilhiebe und Pfeilbeschuß. Ein erster Probelauf hatte gezeigt, daß sich das Ungetüm recht gut bewegen ließ.
Zum zweiten waren die Horsik-Frauen damit erfolgreich, einen gewaltigen Tribok zusammenzubauen. Es war das größte Belagerungskatapult, das je vor den Mauern Nareins gestanden hatte. Es waren auch die Gespanne zu sehen, die Bauteteile und vor allem Geschützmaterial heranschafften - riesige Steine, die mit einem Schuß eine Bresche in die Mauern schlagen konnten. Außerdem strömten von allen Seiten, wenn auch nur in kleinen Gruppen, Verstärkungstruppen herbei.
Alles sah danach aus, als müßte der nächste Tag der Tag der Entscheidung sein. In den Morgenstunden mußte voraussichtlich das Entsatzheer eintreffen, dann waren Tribok und Ebenhöhe sturmfertig - mehr Kämpferinnen und besseres Material würde Nakido von Horsik so bald nicht wieder zusammenbekommen.
Phyter schrieb alles sorgfältig auf, bis die hereinbrechende Nacht die Arbeit unmöglich machte. Phyter verließ seinen Posten, nahm bei Netsuke
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