Mythor - 088 - Kampf um die Burg
Kämpferin Rauch - in der Mulde hatte jemand mit sehr wenig Erfahrung ein Feuer entfacht. Kalisse warf sich auf den Boden und robbte vorwärts.
Was sie sah, hatte sie erahnt - in der Mulde lagerte jener Trupp Horsik-Amazonen, den die Ballonreisenden schon einmal erlebt hatten -, und zu diesem Trupp gehörten auch die beiden schändlichen Hexen der Horsiks. Kalisse hätte auch ihre rechte Faust verwettet, daß es diese beiden Hexen waren, die den Spuk in die Welt gehext hatten. Schande über sie. Auf Ganzak wurde gestritten, nicht gehext.
Am liebsten hätte Kalisse mit gepanzerter Faust den Umtrieben der Horsik-Hexen ein Ende bereitet. Aber die Gruppe, die in der Mulde lagerte, war zu stark, als daß Kalisse allein sie hätte bezwingen können. Einen Augenblick lang besann Kalisse, ob sie die Freundinnen zu Hilfe rufen sollte, dann entschied sie sich dafür, zurückzureiten und Swige Nachricht zu geben. Es war wichtig, diese Schändlichkeit der Horsik-Amazonen den anderen Geschlechtern auf Ganzak offenkundig zu machen.
Kalisse robbte behutsam zurück.
»Es ist so, wie ich gedacht habe«, berichtete sie. »Dort unten lagern ein paar Dutzend Horsikerinnen, und unter ihnen die beiden Schandhexen Rohcara und Nunsic.«
»Wir machen sie nieder«, sagte Gudun sofort. »Wir haben den Vorteil der Überraschung und können sie niederwerfen.«
Kalisse wiegte den Kopf. Sie zog eilig ihre Rüstung wieder an. Es war Gerrek, der ihr ein Stück nach dem anderen reichte - und es war auch Gerrek, der das Schwert so auf den am Boden liegenden Schild fallen ließ, daß es einen weithin hörbaren Ton gab.
Kalisses Überlegungen waren damit über den Haufen geworfen. Sie zischte Gerrek eine Verwünschung ins Ohr und rüstete sich eilends fertig.
Als sie aufs Pferd stieg, erschien gerade die Wache der Horsikerinnen auf dem Hügel. Sie stieß einen Alarmschrei aus.
»Die Hatz kann beginnen!« rief Kalisse. »Auf sie, Amazonen!«
5.
Rauch verdunkelte die Luft. Der Wind trieb die Flammen vorwärts, auf die Burg zu. Ungeachtet der Pfeile und Speere, die ihnen von den Wehrgängen entgegengeschleudert wurden, schafften die Angreifer Holz heran. Sie schürten das Feuer, das sie in der Nähe des Südtors unmittelbar an der Mauer gelegt hatten.
Seit Stunden loderte der Brand. Oberhalb des Feuers konnte sich niemand aufhalten, die furchtbare Hitze raubte jedem sofort die Atemluft. Die Angreifer konnten dort natürlich auch nicht über die Mauer steigen, aber das schadete nichts.
Phyter kannte diese Taktik aus der Chronik. Es war eines der bewährtesten Verfahren, eine Mauer zu öffnen. Die stundenlang genährte Glut ließ die Mauersteine heiß werden, die Fugen auseinanderklaffen, briet das Gestein mürbe. Wenn das Feuer erlosch, platzten die Steine auseinander - die Mauer brach an dieser Stelle in sich zusammen.
Hinter Faschinen vor Narein-Pfeilen geschützt, hockten die Bognerinnen von Horsik und holten von den Zinnen Nareins, was sich ihren Pfeilen als Ziel darbot. Die Erfolge waren nicht groß, aber das Wirken dieser Frauen hinderte die Verteidiger daran, die Brandertruppen unter verheerenden Beschuß zu nehmen.
Beim bloßen Holznachlegen hatten es die Angreifer nicht bewenden lassen - feuchtes Stroh, Unrat und Aas ließ die Rauchwolke, die sich fett und schwarz über die Mauer wälzte und auf die Südstadt herabfiel, zu einer Geißel werden. Der grauenvolle Gestank machte es fast unmöglich zu atmen, er legte sich auf die Lungen, und er war so ekelhaft, daß man dem Brechreiz kaum zu widerstehen vermochte.
Phyter hatte, wie üblich, seine Beobachterstellung auf dem höchsten Turm der Burg bezogen und notierte, was sich zutrug. Es war die erste Belagerung, die er miterlebte, und die emsige Tätigkeit der Angreifer erfüllte ihn mit Unbehagen. Ihn irritierte, daß Skasy die Horsik-Frauen einfach gewähren ließ und nur das mindeste von dem tat, was ihm als Abwehr richtig erschienen wäre.
Von der Zinne aus konnte er die Sappen sehen, die von den Kriegsmägden der Horsikerinnen vorangetrieben wurden, und ein paar hundert Schritt vom Lager entfernt wuchs mit beängstigender Geschwindigkeit eine sogenannte Ebenhöhe in den Himmel, ein fahrbarer Belagerungsturm, der so hoch war wie der Wehrgang, gegen den er gefahren werden sollte. Die Horsikerinnen hatten die einzelnen Teile des Turmes herangeschafft und bauten ihn zusammen, und die Geschwindigkeit, die sie an den Tag legten, deutete an, daß sie einen sehr genauen Plan hatten, wie
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