Mythor - 124 - Zeichen des Lichts
geschnallt, trampelten damit den Boden fest und glätteten ihn.
»Das ist der Arbeitsdienst LUMA«, erklärte Tansar, ohne daß Mythor ihn gefragt hatte. »Er wird das Werk noch vor Beginn des Letzten Jahres vollendet haben.«
»Welches Werk?« fragte Mythor.
»LUMA ist einer von vielen Wegweisern des Lichts«, antwortete Tansar. »Der Wegweiser, den wir errichten, soll DOLUM heißen. Das dürfte dir doch nicht entgangen sein.«
»Ich habe diese Verkündung vernommen«, erwiderte Mythor.
Er ließ seine Blicke weiterwandern. Im Norden und Osten konnte er keine Erdwälle entdecken. Aber im Norden erhob sich die Heidelandschaft nur auf etwa tausend Schritte bis zu einer langgestreckten Anhöhe. Dahinter glaubte er am Horizont eine spiegelnde Wasserfläche zu sehen.
»Liegt dort das Meer?« fragte Mythor.
»Ja, wir sind der Nordküste sehr nahe«, antwortete Tansar. »Dazwischen liegt nur ein Wegweiser, der, so glaube ich, seiner Vollendung zustrebt.«
Auch in südlicher Richtung war das Land auf eine weite Strecke noch nicht bearbeitet. In größerer Ferne sah Mythor jedoch langgezogene Furchen, die das Landschaftsbild prägten. Dazwischen waren Yarls zu sehen, die irgendwelche monströsen Gestelle hinter sich nachzogen.
Bei genauerem Hinsehen erkannte Mythor, daß es sich dabei um riesige pflugähnliche Konstruktionen handelte, mit denen der Boden aufgegraben wurde. Und auf den aufgetürmten Wällen waren Menschen wie winzige Insekten zu sehen, die die größeren Brocken zerteilten, die Hänge ebneten und glätteten. Auf diese Weise entstanden geradlinige und geschwungene Gräben, die durch die beiderseits angehäuften Wälle noch besonders hervorgehoben wurden. Und wozu all diese Mühen?
Tansar nannte diese Linien »Wegweiser des Lichts«, und nach allem, was Mythor erfahren hatte, konnte er sich zusammenreimen, daß sie dem Lichtboten den Weg nach Lyrland weisen sollten.
»Ich bin beeindruckt«, sagte Mythor, »von diesem Lebenswerk eines ganzen Volkes. Ich verstehe jetzt auch, warum ihr die Jahre in Zyklen von Menschenaltern zählt. Es bedarf gewiß sieben mal sieben Jahre, um über einen ganzen Landstrich solch gewaltige Zeichen zu setzen. Nur frage ich mich, ob das auch etwas hilft.«
»Selbst der gläubigste Lyrer muß gelegentlich solche Zweifel verspüren, so auch ich, nur zerrinnen sie, wenn man in seiner Aufgabe aufgeht«, sagte Tansar.
Mythor blickte nach Osten, wo eine kaum zu überblickende Herde von Yarls auf ihren Einsatz wartete. Die meisten waren schon vor die monströsen Gestelle gespannt, oder es wurde letzte Hand angelegt.
Nur der Yarl, mit dem Mythor und seine Freunde gekommen waren, wurde noch entladen. Nun erst war Mythor klar, woraus sich die Lasten zusammensetzten. Es handelte sich hauptsächlich um die Einzelteile der Pflüge, mit denen das Land zerfurcht wurde. Selbst die Felsblöcke waren Teile davon, sie dienten zum Beschweren. Aus den Brettern und den kleineren Rundhölzern wurden Gebäude auf den Rückenpanzern der Yarls gebaut, als Unterkünfte für die Fronarbeiter. So weit sein Auge reichte, entdeckte er nirgends ein Bauwerk auf festem Boden.
»Fast alle Yarls, die auf dem Markt von Arylum gehandelt werden, werden hierher gebracht«, erklärte Tansar. »Es werden große Anforderungen an sie gestellt, und so stark und ausdauernd die Schildechsen auch sind, dieser Belastung sind sie auf die Dauer nicht gewachsen.«
»Ja, ich kann mir vorstellen, daß der Verschleiß an Yarls groß ist«, sagte Mythor bitter. Er mußte daran denken, wie viele der Nomadenvölker aus der Düsterzone dadurch ihrer Lebensgrundlage beraubt wurden. Aber es stand ihm nicht zu, deswegen über die Lyrer zu richten. Sie dienten einem guten Zweck, wenngleich der Erfolg für ihn recht zweifelhaft war. Aber es geschah in der Lichtwelt andernorts viel größeres Unrecht – und oft genug nicht einmal unter dem Deckmantel der guten Tat.
Und wer konnte schon sagen, daß die Lyrer auf diese Weise nicht vielleicht eine so starke magische Kraft schufen, daß sie damit den Lichtboten erreichten? Nein, es stand ihm ganz und gar nicht zu, den Richter zu spielen. Aber andererseits konnte ihn auch niemand zwingen, gegen seine Überzeugung ebenso zu handeln.
»Ich mache dabei gewiß nicht mit«, sagte er.
»Kommt Zeit, kommt Erkenntnis.«
Dieser Ausspruch erinnerte Mythor unwillkürlich an Robbin, denn es hätte sich genauso gut um eine Pfaderregel handeln können. Und damit wurde er an Shayas Versprechen
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