Mythor - 124 - Zeichen des Lichts
hatte schon einmal in den Brunnen geblickt, und ihr war von dem Spiel der Farben ganz schwindelig geworden.
Sie hätte nicht zu sagen vermocht, was sie diesmal zum Brunnen zog; sie hegte keine besonderen Erwartungen.
Als sie jedoch über den Brunnenrand blickte, schien ihr aus der spiegelnden Fläche der Flüssigkeit tief unten im Schacht Shaya entgegenzublicken.
Höre, was ich dir zu sagen habe, Glair, meine heimliche Vertraute, vernahm sie die feengleiche Stimme der Suchenden. Ich will Carlumen ein Ziel geben. Ihr braucht nicht länger nach Mythor zu suchen. Noch vor dem letzten Tag dieses Jahres, nach Zeitrechnung der Lyrer, wird Mythor sich bei LUM DON einfinden.
Glair dachte über die Worte nach und fragte bei sich, was wohl unter diesem Begriff zu verstehen sei. Und ob es sich um einen Ort oder eine Landschule handle und wie man dorthin finden könne.
Und Shaya antwortete in ihrem Geist.
Mythor weiß auch nicht, wo LUM DON liegt, aber er ist schon unterwegs dorthin. Carlumen braucht nur nach Norden zu fliegen, bis zur Küste an einem weiten Meer. Dort wird euch LUM DON deutlich entgegenleuchten. Aber bedenke, Glair, daß Carlumen nicht nach Beginn des letzten Lyrer-Jahres dort eintreffen darf.
Glair erwachte wie aus einem Traum. Sie wich vor dem Brunnen zurück. Da sah sie Fronja, die auf die Gebäude des Stadtteils von Carlumen zuhielt, wo die Rohnen untergebracht waren.
»Willst du dich selbst finden, Glair?« fragte Fronja.
»Und du, was treibt dich zu dieser nächtlichen Stunde zu den Rohnen?« fragte Glair zurück.
»Ich habe mit Ejoba zu reden«, sagte Fronja und entschwand.
LUM DON, dachte Glair. Sie würde den Namen nennen, wenn die Zeit reif war.
7.
Einst erschien der Komet über der Welt und verdrängte die Nebel des Bösen, verbannte die Mächte der Finsternis in die Schattenzone. Der Lichtbote mußte mit seinem Kometentier weiterziehen, doch ließ er ein Vermächtnis auf der Welt zurück, das er über sieben Punkte verteilte. Wenn das Böse wieder überhand nehmen sollte, noch ehe der Lichtbote von einer langen Reise zurückkehrte, dann sollte der Sohn des Kometen sein Erbe antreten, um dem Licht über das Dunkel zum Sieg zu verhelfen. Und es sollten Wegweiser aus reinem Licht errichtet werden, die dem Lichtboten die Rückkehr erleichtern würden. Die Lichtsäule von Logghard ist ein solcher Wegweiser, aber sie soll überstrahlt werden von jener Lichtzone in Lyrland, die dem Kometen den Weg weisen wird. Der Lichtbote soll schon von hoch oben sehen, wo das Licht am hellsten strahlt und wo das Gute am stärksten ist. Er lehrte uns, die Zeichen aus Licht zu setzen – Nullum, der Prophet des Lichtboten.
(Aus den Wahren Schriften der Luminaten)
*
Der Yarl war schnell unterwegs; offenbar hatten es Tansar, Ormon und Arcor sehr eilig, ihren Frondienst zu leisten. Das brachte für die blinden Passagiere nur den Nachteil mit sich, daß sich durch die schaukelnden Bewegungen des Tieres die Ladung dauernd verschob und sie Gefahr liefen, von einem der Baumstämme oder Holzbalken erschlagen zu werden.
Sie bannten diese Gefahr aber, indem sie das Ladegut rund um ihren Unterschlupf mit Seilen festzurrten. Da die drei Yarlfänger sich die ganze Zeit über in dem Führerhaus an der Nackenwulst der Schildechse aufhielten, merkten sie gar nichts davon, was hinter ihren Rücken vor sich ging.
Als die Yarlfänger mit ihrem Tier gegen Mittag aufbrachen und ihnen ein halbes Dutzend berittener und bewaffneter Männer das Geleit gaben, mußten die blinden Passagiere noch mit Schwierigkeiten rechnen. Doch die Tokuanreiter verabschiedeten sich bald und ritten in östlicher Richtung voraus.
»Hier sind wir so sicher wie in Vangas Schoß«, erklärte Gerrek während der folgenden ausgiebigen Mahlzeit, die sie sich aus den Vorräten der Yarlfänger zusammenstellten. Mit vollem Mund fügte er hinzu: »Und wir können schlemmen wie in Orphals Reich.«
Gegen Abend überholten sie einen Zug von Fronarbeitern, die zu Fuß unterwegs waren. Obwohl die Lyrer durch Zeichen zu verstehen gaben, daß sie mitgenommen werden wollten, hielten Tansar und seine Kameraden ihren Yarl nicht an. Sie riefen den Wanderern irgend etwas zu, und diese schimpften und fluchten zur Antwort.
Der Yarl mäßigte sein Tempo erst kurz vor Einbruch der Nacht, als er zu einer Karawane aus fünf Schildechsen stieß. Auch diese beförderten nur schwere Lasten und keine Passagiere. Das Tier der drei Yarlfänger schloß zur Karawane auf und bildete
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