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Mythor - 130 - Das Auge des Kriegers

Mythor - 130 - Das Auge des Kriegers

Titel: Mythor - 130 - Das Auge des Kriegers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Walker Hugh
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zur Deckung angebracht worden. Eine gewaltige Steinlawine rollte, ständig an Masse gewinnend, nach unten und begrub die dunklen Wogen.
    Nur einen Atemzug lang geriet der Vormarsch ins Stocken, dann stiegen die nachfolgenden Krieger über die Felsen hinweg. Nun war nichts mehr zwischen ihnen und den Verteidigern. Selbst die Luft war voll von ihnen. Riesige eiserne Vögel schwebten heran.
    Sie waren die ersten, die in den Seelenwind gerieten. Wie welke Blätter wurden sie auseinandergewirbelt, in den Himmel oder gegen den Berg geschleudert, und das Donnern ihrer Abstürze mischte sich mit dem Heulen des Sturms.
    Während Angreifer und Verteidiger auf halbem Hang aufeinandertrafen und ein grimmiges Handgemenge begann, raste der Seelensturm hinab in die dichten Reihen der Dunkelkrieger. Auf breiter Front fielen sie wie von Äxten und Schwertern gefällt – zerbrochen, zerschlagen. Eine Herde von hundert Mammuten hätte keine gründlichere Schneise in die Reihen der Angreifer trampeln können, als es Horcans rachehungrige Seelen taten.
    Nottr, der wie ein Magier während einer Beschwörung stand, gelähmt und zur Untätigkeit verdammt, während rings um ihn Tod und Vernichtung wüteten, sah nicht nur die Auswirkungen des Sturmes. Immer mehr nahmen die aufgewühlten Lüfte Formen wirbelnder Gestalten an, vage menschliche Gestalten, die mit der lebensverachtenden Wut von Dämonen nach den Kriegern der Finsternis hieben und hackten, sich mit Klauen und Zähnen auf sie stürzten.
    Nottr schauderte.
    Vor ihm brachen die Reihen der Verteidiger einen Augenblick lang auseinander. Ein Dutzend Angreifer stieß durch und stürzte sich auf Nottr. Er vermochte nicht einmal die Gefährten zu Hilfe zu rufen. Er erkannte gleich darauf, daß er es nicht brauchte. Er war nicht allein. Ein Ring von Seelen umgab ihn und empfing die Herankommenden mit allem Grimm einer unbefriedigten Rache. Einer nach dem anderen fielen sie in den Staub mit zerstörten Körpern und leer von aller treibenden, lenkenden Finsternis. Aber mit jedem, der niedersank, gewannen die Seelen an Gestalt, bis ihn ein dichter Kreis nebelhafter Leiber und Fratzen umgab, die sich wie hungrige Bestien auf die Dunkelkrieger stürzten.
    In der Ferne raste der Sturm zum Himmel hinauf und riß die grauen Wolken auseinander. Dahinter war ein schwarzer Himmel – ohne das funkelnde Geschmeide der Sterne. Nur ein düsterer Mond hing über dem Horizont – riesig und zum Greifen nah.
    Der Sturm kam mit neuer Wucht herab und fegte zu Boden, was bisher widerstanden hatte. Mit der Vernichtung der Feinde verstummte auch das Heulen mehr und mehr. Zuletzt kroch der Wind über den Boden, und erst als er den Berg heraufkam, um zu Nottr und der Klinge zurückzukehren, konnten die Verteidiger – jene, die nicht mehr kämpften – im düsteren, rötlichen Licht des Mondes erkennen, wie die schattenhaften Gestalten der Geister mit den erschlagenen Körpern eins wurden, mit Rittern und mit Dunkelkriegern gleichermaßen.
    In einer langen, schier endlosen Reihe erhoben sich die Körper, ungelenk, stolpernd, mit blinden Augen, tauben Ohren, toten Sinnen. Stöhnen und Schreien kam aus totenstarren Kehlen und erfüllte diese sterbende Welt mit den Lauten von Toten.
    Nur einer, der ihnen vorausschritt, er mochte ihr Anführer sein und er mochte mehr wissen und begreifen als die anderen, beachtete die toten Körper nicht. Sein Blick war auf die Lebenden gerichtet.
    Er war ein Hüne von Gestalt, und so unwirklich und geisterhaft diese auch war, Nottr vermochte jedes Detail zu erkennen: das schulterlange Haar, die grauen, kalten Augen, den Schnurrbart und Spitzbart, den Helm mit den Adlerfedern, den gewaltigen Rundschild.
    Unter Tausenden hätte er diesen Mann erkannt, und als dieser die Lippen öffnete, war es, als könnte er den Fluch hören, den er so oft gehört hatte: »Caers Blut!«
    Es war Coerl O’Marns Geist, der vor ihm stand. Was hätte Maer O’Braenn gegeben, ihn zu sehen! Nottr war nicht sicher, ob auch der Ritter ihn erkannte. Die Worte, die er sprach, blieben unhörbar. Sie mochten Horcan gelten. In seinen Augen war ein Feuer, ein Verlangen. Er griff nach Nottr, wollte ihn berühren… das Leben spüren.
    Und Nottr wollte ihm antworten, wollte ihm zurufen, daß er seinen Körper gern mit ihm teilen wolle. Er wollte nach Dilvoog rufen, um O’Marn zu helfen. Aber seine Zunge war gelähmt. Er sah, wie die toten Körper hinter Coerl O’Marn zusammenfielen, einer nach dem anderen, und

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