Mythos Ueberfremdung
Religionszugehörigkeit ermittelt. Menschen, die eine sehr ausgeprägte Fähigkeit zur Koexistenz mit anderen Gemeinschaften und Religionen entwickelt haben, werden als »integriert« eingestuft; wer sich um andere Gruppen überhaupt nicht kümmert oder sich intolerant zeigt, gilt als »isoliert«, und die Menschen in der Mitte dieses Spektrums sind »tolerant«. Die französischen Muslime sind nach diesem Maßstab am besten integriert, denn 46 Prozent der Befragten erfüllten die Kriterien, im Vergleich zu 22 Prozent aller befragten Franzosen. Dagegen sind nur 10 Prozent der britischen Muslime »integriert«. Eine deutliche Mehrheit von 60 Prozent ist nicht isoliert, sondern bloß »tolerant«, und das bedeutet, dass diese Menschen in Bezug auf die Gesamtgesellschaft eine vom Grundsatz »Leben und leben lassen« geprägte Sichtweise haben, aber oft nicht die Vorzüge des großen Gemeinwesens sehen. Bei oberflächlicher Betrachtung scheint dies zu belegen, dass einige muslimische Gruppen, am allerdeutlichsten diejenigen in Großbritannien, in wichtigen Bereichen kein Interesse an Integration haben, zumindest nicht kurzfristig. Aber heißt das, dass sie sich anderweitig verpflichtet fühlen, zum Beispiel den Lehren des Korans oder den Werten irgendeines anderen Landes?
Diese Frage verlangt nach einer anderen Analyse.
BEHAUPTUNG: Muslimische Einwanderer verhalten sich gegenüber ihren Aufnahmeländern nicht loyal. Ihre Loyalität gilt ihrer Religion oder ihrem Geburtsland.
»Heute, zu Beginn des 21. Jahrhunderts, kommt es im Zusammenhang mit der islamischen Einwanderung abermals zu einem Konflikt der Kulturen auf europäischem Boden. […] Zahlreiche Muslime haben sich mit Erfolg an die westliche Demokratie angepasst, aber sie sind nach wie vor die Ausnahme. Prediger in Moscheen fordern Muslime weiterhin dazu auf, ihre Kinder im Geist des Dschihad zu erziehen.«
Bat Ye’or
»Man stelle sich vor, der Westen hätte auf dem Höhepunkt des Kalten Kriegs einen massenhaften Zustrom von Einwanderern aus kommunistischen Ländern aufgenommen, die sich nicht entscheiden konnten, welche Seite sie unterstützen sollten. […] Zur Zeit spielt sich etwas Ähnliches ab.«
Christopher Caldwell
Manche muslimischen Gruppen integrieren sich mit erstaun licher Geschwindigkeit in die Kultur, die sie aufnimmt, andere dagegen hinken hinterher. Die Frage ist, ob die Nachzügler die Werte ihrer neuen Heimatländer aus Gründen der Entfremdung oder Illoyalität aktiv zurückweisen oder ein fach nur am Rand der Gesellschaft verharren, weil ihnen das Wissen oder die Mittel fehlen, die man für die Anpassung benötigt. Sind sie Außenseiter, die zornig auf das Land sind, in dem sie leben, sodass sie es umgestalten wollen? Oder sind sie nur Bürger, die noch für eine gewisse Zeit an der alten Lebensweise festhalten?
Die britischen Muslime mit konservativem Wertesystem sind ein guter Testfall. Eine Gallup-Umfrage aus dem Jahr 2009 zu den unter Minderheiten in europäischen Ländern herrschenden Ansichten ergab, dass »britische Muslime sich stärker als alle anderen untersuchten Bevölkerungsgruppen mit ihrem Land identifizieren und ein stärkeres Vertrauen zu sei nen demokratischen Institutionen äußern«. Da war nicht von einem feinen Unterschied die Rede: 77 Prozent der britischen Muslime erklären, sie identifizierten sich »extrem s tark« oder »sehr stark« mit ihrem Land, im Vergleich zu 50 Prozent aller Briten, 52 Prozent der französischen und 40 Prozent der deutschen Muslime. 11
Unter den verschiedenen religiösen und weltlichen Ge meinschaften Großbritanniens zeigen die Muslime die stärkste Affinität zum Staat – und den größten Optimismus in dieser Hinsicht. Mitarbeiter der Londoner Forschungseinrichtung Demos stellten 2011 bei einer Untersuchung zum Nationalstolz fest, dass 83 Prozent der Muslime erklärten, sie seien »stolz darauf, britischer Staatsbürger zu sein« – ein höherer Anteil als bei den Briten insgesamt (79 Prozent). Und nur 31 Prozent der Muslime bejahten die Feststellung, dass »Groß britannien seine besten Tage hinter sich hat«, während 45 Pro zent der Gesamtbevölkerung und 50 Prozent der Anglikaner diesem Satz zustimmten. »Insgesamt«, heißt es in dem Be richt, »zeigen sich die britischen Muslime, wenn es um Groß britannien geht, optimistischer und patriotischer als die weißen Briten.« 12 Man beachte, dass diese Muslime nicht einfach nur glücklich sind, weil sie die britische
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