Mythos Ueberfremdung
finden und auch behalten als die Mehrheitsbevölkerung«. 20 Der Anteil der unterhalb der Armutsgrenze lebenden Menschen liegt in Belgien bei der im Land geborenen Bevölkerung bei 10 Prozent, während die Quote bei türkischen Einwanderern bei 59 und bei Einwanderern aus Marokko bei 56 Prozent liegt. In Amsterdam leben 32 Prozent der türkischen und 37 Prozent der marokkanischen Haushalte vom Mindesteinkommen, bei den niederländischen Haushalten sind es dagegen nur 13 Prozent. 21 In Großbritannien kam eine Studie der Joseph Rowntree Foundation zur Armut unter Einwanderern zu dem Ergebnis, dass 65 Prozent der Bangladescher und 55 Prozent der Pakistaner arm sind – bei den »weißen Briten« waren es 20 Prozent. Von den pakistanischen Haushalten waren 25 Prozent, von den Bangladescher-Haushalten 30 bis 35 Prozent ohne Arbeit (das heißt: kein Mitglied des Haushalts hatte eine Arbeitsstelle), während die entsprechende Quote der weißen britischen Haushalte bei etwa 15 Prozent lag. Diejenigen Muslime, die Arbeit haben, werden im Durchschnitt sehr viel schlechter bezahlt als andere Einwanderergruppen. Fast die Hälfte der Arbeiter aus Bangladesch und ein Drittel der Pakistaner erhielt im Jahr 2006 einen Stundenlohn von weniger als 6,50 Pfund, während der Anteil dieser Niedriglohngruppe bei anderen Einwanderergruppen nur ein Fünftel ausmachte. (Das war, wie sich herausstellte, teilweise darauf zurückzuführen, dass 35 Prozent der Bangladescher, im Unterschied zu einem Anteil von nur 5 Prozent unter anderen ethnischen Gruppen, im »Hotel- und Gaststättenbereich« tätig waren, das heißt: hauptsächlich in Curry-Restaurants im Familienbesitz, die häufig, trotz des geringen Lohns, Vehikel für soziale Mobilität sind.) 22
In den 11 europäischen Städten, auf die sich die Untersuchung des Open Society Institute bezog, sind Muslime »nicht in den regulären Arbeitsmarkt integriert«. Sie sind häufiger arbeitslos, werden schlechter bezahlt, und ihre Arbeitsplätze sind unsicher. Diese Probleme waren teilweise auf schlechte Sprachkenntnisse und fehlendes Wissen zum oder mangelndes Verständnis des Arbeitsmarkts zurückzuführen, dennoch blieb eine Erklärungslücke, die die Wissenschaftler mit »einer ethnisch und einer religiös motivierten Benachteiligung auf dem Arbeitsmarkt« verbanden.
Und das ist der Schlüssel für die Verarmung dieser Einwanderer: Sie haben sich nicht bewusst für die Armut und das Angewiesensein auf Sozialhilfe entschieden, sondern werden in den allermeisten Fällen in diese Situation hineingedrängt. Wir wissen teilweise darum, weil es nicht nur das Schicksal muslimischer Einwanderer ist. Armut betrifft der zeit alle wahrnehmbaren Gruppen von Einwanderermin derheiten, die als un- oder angelernte Arbeitskräfte oder als Arbeiter ins Land gekommen sind. Eine europaweite Analyse zur Beschäftigungssituation und Armut kam zu dem Ergebnis, dass – unter Berücksichtigung von Ausbildungsunterschieden – »ethnische Benachteiligung« ernsthafte Nachteile mit sich brachte, und zwar nicht nur für Arbeiter aus der Türkei, Marokko und Pakistan, sondern gleichermaßen für Einwanderer aus der Karibik (überwiegend christlich) und Surinam (mehrheitlich christlichen und hinduistischen Glaubens). 23
Eine umfassende Analyse landesweiter Statistiken in Kanada ergab, dass nicht die Religion, sondern die Hautfarbe die Integrationsmöglichkeiten beeinträchtigte, und dass Mus lime in wirtschaftlicher und sozialer Hinsicht nicht weniger (und mitunter sogar stärker) integrationsfähig sind als andere Menschen, die derselben Ethnie entstammen. »In Übereinstimmung mit ihrer Zugehörigkeit zu äußerlich wahrnehmbaren Minderheiten«, folgerten die Forscher, »erfahren Muslime, Hindus, Sikhs und Buddhisten mehr Nachteile, und zwar sowohl objektiv in Gestalt des Haushaltseinkommens als auch subjektiv durch belegte Diskriminierung und Schutzlosigkeit. […] Insgesamt scheint klar zu sein, dass die Religion – und hier besonders der Islam – kein die soziale Integration beeinträchtigender entscheidender Faktor ist, wenn man religiöse Unterschiede zwischen wahrnehmbaren Minderheitengruppen untersucht. Wenn es hier überhaupt etwas zu berichten gibt, dann die Tatsache, dass aus Süd- und Vorderasien sowie aus den arabischen Ländern stammende Muslime von einem etwas höheren Grad an Integration erzählen als derselben Ethnie entstammende Angehörige anderer Religionsgemeinschaften.« 24
Eine große Zahl
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