Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
Vom Netzwerk:
Iquitos, Peru
    „Ich finde Ihre Fotos ausgesprochen interessant.“ Adem Tanriverdi sprach englisch mit einem kaum merklichen Akzent. Er hatte eine tiefe Stimme, die den Zuhörer mit einem äußerst wohlklingenden Timbre für den Sprecher einnahm. „Es ist wichtig, dass die Öffentlichkeit von Ihrer sensationellen Entdeckung erfährt. Die Wahrheit wird überall unterdrückt, aber, so Allah will, zerreißen wir mit Ihrer Hilfe den Schleier, der über sie geworfen wurde und lassen ihr Licht erstrahlen.“
    Francesco Pérez fiel die Mischung aus Bescheidenheit, Schmeichelei und Überzeugung auf, die der Türke in seine wenigen Worte legte. Dabei beschränkte sich Tanriverdis Bescheidenheit eigentlich darauf, sich dem Willen seines Gottes zu unterwerfen. Schon sein Name – ein selbst gewählter Name – war eine Anmaßung: Der erste Mensch, von Gott gegeben. Und die Schmeichelei von wegen sensationeller Entdeckung … na ja. Aber dass der Türke versuchte, ihn und seine Entdeckung für seine eigenen Ziele einzuspannen, war nur recht und billig. Schließlich hatte sein eigenes Vorgehen den gleichen Zweck.
    Mit Tanriverdis Hilfe würde er, Francesco Pérez, dafür sorgen, dass eine der wichtigsten Entdeckungen der Menschheitsgeschichte nicht verheimlicht würde. Seine Entdeckung, die möglicherweise die Evolutionstheorie infrage stellen würde.
    Drei Tage waren vergangen seit seinem frustrierenden Gespräch mit Revilla, bei dem ihm klar geworden war, dass er die Sache selbst in die Hand nehmen musste. Der Paläontologe hatte von einem reichen Türken gesprochen, dem nichts zu teuer war, um zu belegen, dass es keine Evolution gab. Wenn dieSchab. Wenser Mann so viel Geld hatte, vielleicht würde er auch eine Expedition an den Río Supayacu finanzieren?
    Sobald Pérez wieder in Iquitos an seinem Schreibtisch an der Universidad Nacional de la Amazonía Peruana gewesen war, hatte er die Homepage des Kreationisten besucht. Er hatte den Kontakt-Link angeklickt, kurz zusammengefasst, worum es ging, und einige seiner Fotos angehängt.
    Jetzt hatte Tanriverdi ihn angerufen.
    „Wir werden das Fossil untersuchen. Natürlich. Und zwar sehr genau. Das haben wir mit Ihren Fotos auch schon gemacht.“ Tanriverdi räusperte sich. „Verzeihen Sie, aber dass mussten wir tun. Ich traue den Evolutionisten zu, mich hereinzulegen, und wenn ich dann eine Fälschung veröffentliche, zeigen sie mit dem Finger auf mich und sagen: Schaut, Adem Tanriverdi ist ein Betrüger. Alles, was er gegen die Evolution sagt, ist gelogen. Ich muss sehr vorsichtig sein. Deshalb habe ich einen guten Freund im Verteidigungsministerium gebeten zu prüfen, ob es sich bei den Fotos um Fälschungen handeln könnte.“
    Er machte eine Pause. Pérez hörte, wie er vernehmlich die Luft einsaugte. Der Biologe hatte im Internet Fotos von Tanriverdi gesehen. Jetzt stellte er sich vor, wie er in einem dunklen Seidenanzug an einem riesigen, eleganten Schreibtisch saß, eine dicke Zigarre paffte, sich über den sorgfältig gestutzten Kinn- und Backenbart strich und darauf achtete, dass seine weiße Krawatte exakt senkrecht nach unten hing.
    „Es sieht so aus, als könnte ich Ihnen vertrauen, Señor Pérez“, sagte Tanriverdi. „Wir haben keine Hinweise darauf gefunden, dass die Fotos bearbeitet wurden. Deshalb habe ich vor, das Fossil zu suchen und in Sicherheit zu bringen.“
    „Das ist gut“, freute sich Pérez. „Dann werde ich Ihre Leute dorthin bringen.“ Er holte tief Luft. „Allerdings nur unter drei Bedingungen.“
    „Ich höre.“ Tanriverdi schien nicht überrascht.
    „Ich persönlich bin die ganze Zeit dabei, und ich bin derjenige, der das Fossil der Öffentlichkeit vorstellt.“
    „Ich bin ein Idealist“, sagte Tanriverdi ruhig. „Mir geht es nicht um den Ruhm. Den können Sie einstreichen, wenn Ihnen das wichtig ist.“ Er klang eher verständnisvoll als kritisch. „Ich gebe mein Geld dafür aus, dass die Wahrheit ihr Licht verbreiten kann. Und die dritte Bedingung?“
    „Bei der Expedition muss ein Paläontologe von der Universität in Lima dabei sein. Er wird das Fossil untersuchen und bestätigen, dass wir keine Betrüger sind.“
    „Das ist eine ausgezeichnete Idee. Und ich freue mich auf das Gesicht dieses Experten, wenn er dem falschen Glauben abschwören muss.“ Tanriverdi schnalzte mit der Zunge. „Was für großartige Aussichten.“
    „Das klingt so, als würden Sie selbst mitkommen“, stellte Pérez erstaunt fest.
    „Sie haben

Weitere Kostenlose Bücher