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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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das Ziel, das so dicht vor ihnen lag, möglichst schnell erreichen. Sie biss die Zähne zusammen, stand auf und trat in den vorderen Teil der Hütte.
    Es war niemand hier. Sie stellte sich in die Tür und schaute hinaus.
    Zwischen den Häusern standen vereinzelt große Palmen. Klobige Ameisennester saßen wie graue Geschwüre hoch an den Stämmen. Das Dorf lag unter finsteren Wolken, aber über den Feldern und dem Wald dahinter brach die Sonne durch.
    Ein Regenbogen stand über dem Horizont. Eine irische Sage fiel ihr ein. Am Fuße des Regenbogens sollten Kobolde, die Leprechauns, Töpfe mit Gold vergraben haben. Das Problem war, dass man diesen Ort nie erreichte, weil der Regenbogen sich vor einem zurückzog, wenn man auf ihn zuging.
    Arie hatte ihr erzählt, dass Greenpeace den Regenbogen wegen einer Prophezeiung der Hopi-Indianer als Symbol benutzte. Demnach würde die Erde krank werden, würden die Tiere und Bäume sterben und die Menschen untereinander kämpfen. Der Regenbogen würde verschwinden. Dann sollten Kinder kommen, die Tiere, Bäume und Menschen liebten, und auch den Regenbogen – und sie würden dafür sorgen, dass die Menschen mit sich und der Natur in Frieden lebten. Und diese Kinder würden die Regenbogenkämpfer genannt, die Rainbow Warriors. Es hatte sich für eine Organisation, die für die Umwelt kämpfte, natürlich angeboten, sich mit diesen Regenbogenkämpfern zu identifizieren. Allerdings gab es eine Menge krude Hopi-Vorhersagen in verschiedenen Versionen, hatte Arie lachend erklärt. Aber die Leute liebten indianische Prophezeiungen einfach.
    Tilly zuckte zusammen, als sie eine leise Stimme neben sich hörte. „Und Gott sprach: Das ist das Zeichen des Bundes, den ich stifte zwischen mir und euch und den lebendigen Wesen bei euch für alle kommenden Generationen: Meinen Bogen setze ich in die Wolken; er soll das Bundeszeichen sein zwischen mir und der Erde.“
    D’Albret stand neben ihr an der Tür und schaute wie sie in den Himmel. „Balle ich Wolken über der Erde zusammen und erscheint der Bogen in den Wolken, dann gedenke ich des Bundes, der besteht zwischen mir und euch und allen Lebewestenllen Leen.“
    „Das klingt irgendwie beruhigend“, sagte Tilly. „Von was für einem Bund spricht Gott da?“
    „Er spricht diese Worte nach der Sintflut zu Noah“, antwortete d’Albret. „Nach seiner Rettung bringt Noah Gott Opfer dar, und Gott verspricht, die Erde nicht noch einmal zu verfluchen und alles Lebendige zu vernichten, um die Menschen zu bestrafen. Seitdem ist der Regenbogen das Symbol des Bundes zwischen den Menschen und Gott.“
    York gesellte sich zu ihnen. Er gähnte. „Nazario und seine Familie sind unter dem Vordach um die Ecke“, erklärte er. „Ich habe ihre Stimmen durch die Wand gehört.“
    Sie verließen die Hütte und trafen die Shawi und Cori beim Frühstück. Das Dach ragte so weit über die Seitenwand hinaus, dass alle an dem roh gezimmerten Tisch Platz hatten, ohne nass zu werden.
    Die Peruaner boten ihnen Kaffee, Tee, Brot und Bananen an. Als der Regen nachgelassen hatte, packten sie ihre Sachen und marschierten mit Nazario und dessen Ältestem los. Nach einigen Minuten hatten sie das Ufer des Río Sillay erreicht. Sie setzten in zwei Kanus über. Am anderen Ufer führte ein Pfad zwischen einigen vereinzelten Hütten und Feldern hindurch. Nach einer Weile nahm die Zahl der Pfahlbauten genauso zu wie die Zahl der Menschen, die sie neugierig betrachteten. Dann standen sie vor einer besonders großen Hütte.
    „Hier“, erklärte Nazario, „wohnt der Apu von San Ramón del Sinar. Edison Amaringo.“ Er schickte seinen Sohn los, um den Führer der kleinen Gemeinde zu suchen. York nahm den Peruaner zur Seite und wollte ihm einige Dollar für seine Hilfe zahlen. Nazario lehnte das Geld ab. Aber York überzeugte ihn mit dem Argument, er hätte schließlich in der Zeit, in der er sich um sie gekümmert habe, nicht auf seinen Feldern arbeiten können, und er müsste doch eine große Familie ernähren.
    Nach wenigen Minuten war Nazarios Sohn wieder da. Ihm folgte ein älterer Mann in einem kurzärmeligen, grünen Hemd, Jeans und Sandalen an den Füßen. Tiefe Furchen zogen durch sein breites Gesicht mit den hohen Backenknochen und den schmalen Augen. Der Apu, der die Besucher mit skeptischen, fast feindseligen Blicken musterte, hätte 40, aber auch 70 Jahre alt sein können, dachte Tilly. Aber die aufrechte Haltung, die dicken, tiefschwarzen Haare und die

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