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Mythos

Mythos

Titel: Mythos Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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Schuppen und die Ringe um seine Augen leuchteten gelb. Mit arrogant heruntergezogenen Mundwinkeln inspizierte der Fisch den Besucher und schwebte majestätisch davon, hinein in eine Schule von silbrigen, rot gepunkteten Meerbarben. Das Metall einer alten Bierdose schimmerte stumpf im Sonnenlicht. Doch von dem, was er suchte, fand York keine Spur.
    Er tauchte wieder auf. Langsam schwamm er in Richtung des etwa einen Meter hohen Riffes am Meeresboden. Es war von der Küste aus gesehen das dritte, das hier parallel zum Strand verlief. Nicht Korallen hatten in der Brandungszone zwischen Martin und Brevard County einen 300 Kilometer langen, wellenbrechenden Wall errichtet, sondern Federwürmer. Millionen dieser kleinen Wirbellosen hatten neben- und übereinander Sandröhren gebaut und so die sogenannten Wurmriffe geschaffen. Sie waren nicht so eindrucksvoll wie die berühmten Korallenriffe der Keys vor der Südküste Floridas, aber sie bildeten den Lebensraum von mehr als 500 Arten von Fischen, Pflanzen und anderen Wirbellosen.
    Irgendwo hier mussten sich auch die Überreste der Galeone Urca de Lima befinden.
    York schaute hinüber zu seiner Jacht. Das Boot lag in zehn Metern Entfernung ruhig auf dem Meer. Er hatte den Anker an dieser Stelle nur ungern fallen gelassen. Es bestand die Gefahr, dass er die Überreste der Galeone beschädigen würde. Aber die Ankerbojen, die die Position des Wrackes anzeigen sollten, waren wieder einmal Opfer der Stürme geworden. Immer wieder rissen die Hurrikane sie von den Zementblöcken am Meeresboden, die das Wrack seit 1987 als archäologisches Unterwasserschutzgebiet markierngebiet erten. Trotz exakter GPS-Daten fiel es schwer, die Reste der Urca zu finden, die zur verlorenen Flotte von 1715 gehörte.
    York tauchte erneut hinab. Er vertraute seinen großen Lungen, so wie es vor langer Zeit die Indiosklaven hatten tun müssen, die für die Spanier nach Perlen und verlorenen Schiffsladungen gesucht hatten.
    Er hatte den Plan des Wrackes im Kopf, seit er sich 1985 als Freiwilliger an der ersten offiziellen Vermessung der Urca beteiligt hatte. Das Problem war nur, dass alle Strukturen am Meeresboden, künstliche wie natürliche, mit der Zeit von Algen überwachsen und von Sand bedeckt wurden. Anders als in der Vorstellung vieler Menschen blieb von versunkenen Holzschiffen in der Regel nicht viel übrig. Häufig wurde der Rumpf von den Wellen zerschlagen – besonders, wenn ein Schiff auf einer Sandbank oder einem Riff festsaß. Alles, was nicht befestigt war, wurde über Bord gespült. War ein Schiff auf hoher See gesunken und nicht bereits an der Wasseroberfläche zerbrochen, drehte es sich um sich selbst, schwere Teile wie Kanonen fielen heraus und landeten manchmal weit weg von dem Wrack am Meeresboden. Häufig verteilte ein Schiff deshalb seine Bestandteile und Ladung über große Flächen und Strecken. Und blieb der Rumpf selbst halbwegs intakt, so fiel er am Meeresboden auseinander. Die Nägel verrosteten, Strömungen schwemmten die Planken langsam, aber sicher fort, das Holz wurde von Bohrwürmern zerfressen. Die ursprüngliche Lage eines Wrackes wurde deshalb vor allem von zwei Dingen gekennzeichnet: einer Menge Steine, die einmal die Bilge, den Ballastraum über dem Kiel, gefüllt hatten, und einer größeren Zahl von Kanonen. Doch der Meeresboden änderte ständig seine Gestalt. Mal lagen Wrackteile, die noch existierten, frei, mal waren sie von Sand bedeckt. Und über allem wogten die Blätter der Algen.
    Pfauenalgen und Seeigel hockten auf dem natürlichen, zerklüfteten Wellenbrecher vor ihm. Ein großer Schwarm Glasfische schoss über das Riff, schraubte sich vor ihm in die Höhe und schwamm, hektisch nach den Seiten zuckend, davon.
    Konzentriert suchte York den Boden ab. Da! Eine dunkle Fläche stach aus dem hellen Sand zwischen zwei Algenfeldern hervor. Er fuhr mit der Hand darüber. Die Holzplanken sahen aus wie verkohlt.
    Er hatte die Urca wiedergefunden.
    Nachdem er nun wusste, wohin er schauen musste, entdeckte er bald auch die Konturen des riesigen Ankers der Urca , der halb im Sand vergraben war.
    Es wurde Zeit, wieder Luft zu holen.
    Etwas schob sich zwischen ihn und die Sonne. York sah auf. Ein riesiger Fisch schwamm langsam über ihn hinweg. Er konnte gegen das Licht die Art nicht erkennen. Ein Riesenzackenbarsch? Nein, dieses Tier war mindestens vier Meter lang und bewegte sich erheblich eleganter als der große, plumpe Barsch. Nach zwei Sekunden war es außerhalb

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