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Mythos

Mythos

Titel: Mythos
Autoren: Markus C Schulte von Drach
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wieder zu verkaufen. Scheiß drauf.
    Vielleicht mussten sie einige Leute entlassen und einige Projekte aufgeben. Pech gehabt. Aber sein Unternehmen selbst war nicht gefährdet.
    Er setzte seinen Weg fort, gönnte sich einen Hummer in Nick’s Restaurant und legte sich dann in die Koje an Bord seiner Jacht.
    Donnerstag, 4. Juni, Sevilla, Spanien
    Verkehrslärm weckte Nora Tilly. Sie brauchte einen Augenblick, um sich zu orientieren. Die ersten Sonnenstrahlen, die es durch den Spalt zwischen den langen, braunen Vorhängen ins Zimmer schafften, fielen auf maurische Muster an der Wand. Die Uhr auf dem Nachttisch zeigte kurz nach 7 Uhr.
    Dann fiel ihr alles wieder ein. Sie richtete sich im Bett auf.
    Belotti war tot. Gefoltert. Ermordet. Deshalb war sie aus ihrer Wohnung geflüchtet und hierher umgezogen, ins Hostal Florida, einem Hotel in der Nähe des Archivo General. Das helle, niedrige Gebäude mit den rot umrahmten Fenstern in der Avenida Menéndez Pelayo war ihr klein und unauffällig genug vorgekommen, um sich dort zu verkriechen. Und auch der Name hatte vielversprechend geklungen. Schließlich hatte Yorks Firma ihren Sitz in Florida.
    Sie hatte den Wagen abgestellt, im Hotel eingecheckt und war schnell ins Bett gegangen in der Hoffnung, sich in den Schlaf flüchten zu können und so die Bilder von Belottis Tod zu verdrängen. Aber dann hatte ihr Gewissen wieder gut gerüstete Zweifel in die Arena ihres Bewusstseins geschickt. Hätte sie nicht doch zur Polizei gehen sollen? Sie hatte sich unruhig im Bett gewälzt. Erst spät war sie endlich eingeschlafen.
    Auch jetzt drückten sie die Bilder vom vorherigen Abend schier ins Bett zurück, und sie hätte sich am liebsten die Decke über den Kopf gezogen.
    Aber das hätte nichts genutzt. Jedes Mal, wenn sie die Augen zumachte, tauchte der sterbende Mönch vor ihr auf. Wer war der Mann gewesen, der ihn gefoltert hatte? Warum hatte er es getan? Hatte es mit den Dokumenten zu tun, die sie übersetzt hatte? Hatte der Mann sie gesehen? Wusste er, wer sie war?
    War sie wirklich ebenfalls in Gefahr?
    Sie stand auf und zog sich mit fahrigen Bewegungen eine abgeschnittene Jeans und eine weite Bluse an. Das Hotel bot kein Frühstück an, sodass sie in dem kleinen Café nebenan aß. Großen Appetit hatte sie nicht. Aber auf den Kaffee konnte sie am Morgen nicht verzichten.
    Ständig behielt sie das Geschehen auf der Straße vor dem Fenster des Cafés im Auge. Würde sie den Mann in der Regenjacke wiedererkennen? Nur wenn er diese Jacke anhatte.
    Sie musste unbedingt York anrufen und über die ganze Sache mit ihm reden. Darüber, dass sie die Suche nach der Rosario beenden sollten. Über ihre Entdeckung. Und über die Angst, die ihr in den Knochen steckte.
    Nein, darüber nicht.
    Sie nippte an ihrem Kaffee. Warum eigentlich nicht, fragte sie sich. Wen hatte sie denn sonst, mit dem sie darüber reden konnte?
    Sie verdrängte den Gedanken. Es gab einen einfachen Grund, warum sie York nicht anrufen konnte: In Florida war jetzt tiefste Nacht.
    Eine junge Frau trat in das Café, sah sich um und ging wieder hinaus. Misstrauisch schaute Tilly ihr nach, wie sie die Straße überquerte und hinter einigen Containern verschwand.
    Sie durfte sich von ihrer Angst nicht überwältigen lassen. Das hier war die Chance ihres Lebens. Sie würde sie nicht ungenutzt verstreichen lassen. Dazu musste sie versuchen, die Originaldokumente zu Juan de la Torre aufzuspüren, die Belotti im Archiv gefunden hatte. Denn der Bericht, in dem der Konquistador von seiner Begegnung mit dem Teufel erzählte, fehlte ihr noch. Vielleicht würde sie mit seiner Hilfe herausfinden, was Gaspar Riz de Santo Galo in Trujillo gemacht hatte – und wieso er sich so sicher gewesen war, den Weg zu einem Schatz zu kennen. Und vian nnen. Uelleicht enthielt der Text auch Hinweise darauf, wie sich die Geheimschrift entschlüsseln ließ. Obwohl das wenig wahrscheinlich war.
    Belotti hatte gesagt, dass er die Dokumente in der Historia General de las Indias des Dominikaners Bartolomé de Las Casas entdeckt hatte. Und das Werk befand sich im Indienarchiv.
    Tilly zahlte und machte sich auf den Weg dorthin. Sie durchquerte das ehemalige Judenviertel mit seinen malerisch verwinkelten Gassen mit bunten Häusern und kleinen Innenhöfen, Plätzen, Springbrunnen und Cafés. Das Barrio de Santa Cruz war das mit Abstand schönste Stadtviertel Sevillas. Seine Geschichte war weniger schön. Bereits vor der Eroberung der Stadt durch die Christen
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