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N. P.

N. P.

Titel: N. P. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Banana Yoshimoto
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geworden war, Fehler zu machen drohte oder einfach Angst hatte. Hab sie nur gesehen, als ich jung war. Und in meiner Jugend haben alle gefährlichen Frauen diese Augen gehabt, wie sie. Die Augen von Dämonen, die selbst nicht wissen, was sie eigentlich wollen. Genau wie die, die ich meinte im Meer gesehen zu haben‹, sagte er, und ich dachte nur noch, Mensch, der hat den Nagel auf den Kopf getroffen.«
    Ich nickte. »Dir scheint alles klar zu sein.«
    Er nickte auch.
    Mitten im Sommer, mitten in der Nacht. Ich schloß die Augen und meinte Schritte zu hören – heimlich, still und leise ging irgend etwas weiter. Lange saßen wir auf der Straße und hörten ihnen schweigend zu.

 
     
     
    S ui und ich saßen am Ufer eines Flusses am Rande der Stadt und aßen Sandwiches.
    »Der Hochsommer ist auch schon bald zu Ende«, sagte Sui.
    Wir saßen nebeneinander und blickten auf den Fluß, der glitzernde Wellen schlug.
    »Ja.«
    Die starken Sonnenstrahlen hatten den Beton unter unseren Hintern erwärmt und wurden von überall blendend weiß zurückgeworfen. Das Wasser gurgelte.
    »Wenn die Sonne so brennt, kann man die Augen kaum aufhalten. Als ob man müde wäre«, sagte Sui und lehnte sich an meinen Rücken. Ihr Kopf fühlte sich klein und heiß an wie ein Vögelchen, das man in der Hand hält.
    »Ja, es ist drückend heiß«, sagte ich und bewegte mich nicht, ich war satt und faul.
    »Uaah, bin ich müde. Mensch, wenn ich sie so ins Sonnenlicht halte, sehen meine Haare ganz blond aus!« Sui sprach mit sich selbst.
    »Ah, Wind!« sagte ich. Ein angenehmes Gefühl. Der grüne Deich war gespickt mit johlenden, ballspielenden Kindern, mit Hunden, die spazierengeführt wurden, mit Familien beim Picknick usw., usw. Der Himmel überspannte den Fluß und verlor sich ganz weit hinten in der Skyline der Stadt. Seine Farbe – man konnte sie einatmen. Der Körper wurde träge, man konnte meinen, Hände und Füße saugten sich mit dem schweren Duft des Grases voll.
    Egal werden konnte es einem. Vieles – was bisher geschehen war und was von nun an geschehen würde. Die heiße Luft umhüllte den vor sich hin schwitzenden Körper. Ich schloß die Augen – die Rückseite meiner Lider war rot. Die Sonne verbrennt mich.
    »Ein wunderbares Gefühl! Viel zu heiß. Als kämen gleich die Geister vom Himmel. Wen soll ich rufen?« sagte Sui und kicherte in meinen Rücken hinein.
    »Shōji«, sagte ich lachend und trank einen Schluck von dem Saft, der bei meinen Füßen stand. Kühle Süße sickerte mir in den Magen.
    »Jawoll, kommt sofort«, sagte Sui und schwieg.
    Nach einer Weile sagte sie, immer noch an meinen Rücken gelehnt: »Tut mir leid, Kazami.«
    Laß doch den Quatsch, wollte ich sagen, aber meine Stimme gefror. Ich wußte, daß sie mich nur aufziehen wollte, trotzdem lief es mir eiskalt den Rücken herunter, und zwar von der Stelle an, an der Suis Kopf mich berührte. Der kalte Schweiß brach mir aus. Ich wußte, daß es Suis Stimme war, trotzdem, durch meinen Rücken hindurch bekam sie den Klang der fünften Dimension.
    »Entschuldige, daß wir nicht mehr zum Meer fahren konnten, obwohl ich es versprochen hatte. Entschuldige, daß du mir das Buch – oder die Uhr? – nicht mehr zurückgeben konntest.«
    Ich bekam immer mehr Angst und konnte mich nicht bewegen. Vor unbeschreiblichem Entsetzen traten mir die Tränen in die Augen. Ich erstarrte, ganz langsam. Mit dünnem Stimmchen konnte ich aber herausbringen: »Hör auf, was machst du da, Sui, woher weißt du das!?«
    »Mh?« machte Sui nur, als ich mich umdrehte, und sah mich mit großen Augen an. Im hellen Tageslicht, so voller Sommersprossen auf farbloser Haut sah sie aus wie ein armes Kindchen.
    »Ich hab doch bloß Spaß gemacht. Weinst du? Das wollte ich nicht.« Sie legte mir die Hand auf die Wange. Heiß, heißer, am heißesten – mir wurde schwindelig.
    »Schon gut. Mir sind bloß ein paar Erinnerungen gekommen, das ist alles«, sagte ich.
    Sui setzte sich wieder neben mich, schlang die Arme um die Knie und betrachtete schweigend den Fluß, die Augenbrauen im blendenden Sonnenlicht zusammengezogen.
    Unter dieser sengenden Sonne muß ja so was wie gerade eben passieren, jede Kleinigkeit kann den Anstoß liefern. Ist doch sonnenklar!
    Zufrieden mit dieser Erklärung blickte ich ebenfalls auf den Fluß. Wenn man lange genug hinsah, kam es einem vor, als würde man selbst langsam wegtreiben. Das Wasser war schön klar, und man konnte Fischschatten vorbeigleiten sehen. Das

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