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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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des Knödels geht in der Dunkelbiersoße unter. Das Fett am Fleisch lasse ich liegen. Ich probiere ein kleines Stück von der harten Kruste. Es schmeckt wie salziges Kaugummi und haftet mit erstaunlicher Hartnäckigkeit an meinen Kronen. Also lege ich die Kruste zum Fett. Mein Tischnachbar beugt sich vor.
    «Kimmst aus Berlin?»
    «Ja», antworte ich misstrauisch.
    «Dann woaßt ja, dass mia Bayern fia eich Preißn zahlen.»
    «Ach, das ist aber nicht nötig.»
    «So hob i des ned gmoant.»
    «Sie sprechen vom Länderfinanzausgleich?»
    «Ja. Es wea a feine Gestn, wenn i ois Bayer von dia wos kriegn tät.»
    «Ach ja? Was denn?»
    «Wennst die Krustn ned isst, deaf i die ham?»
    Ich schiebe ihm ein wenig peinlich berührt den Teller hin. Gierig steckt er sich das Krustenfett in den Mund. Als er fertig ist, wischt er sich mit der Hand die Lippen ab, murmelt «Vergelts Gott», steht auf und geht. Kruste gegen Länderfinanzausgleich.
    Nach einigem Grübeln komme ich zu dem Schluss, dass dies meine erste Begegnung mit einem Münchner Punk war. In der Innenstadt habe ich keinen einzigen bunten Vogel mit Bierdose und Springerstiefeln gesehen. Diese Funktion haben in München offenbar die Trachtler und Lederhosenträger übernommen.
    Punks und Trachtler haben wirklich einiges gemeinsam: Beide wollen sich von der Masse abheben, beide lassen sich nicht gern herumschubsen, und sie benutzen ungern Parfüm. Außerdem teilen Berliner Punks und Münchner Trachtler eine Leidenschaft für zu viel Bier, deftige Kraftausdrücke und auffällige Kleidung. Von Auswärtigen werden sie für Wahrzeichen ihrer Stadt gehalten und gern mal fotografiert. Und mein Exemplar hat mich sogar angeschnorrt.
     
    Nach sechs Arbeitstagen ist auch in München Samstagabend. Aus einer Gratiszeitschrift habe ich erfahren, dass in einer Disco mit dem abschreckenden Namen Muffathalle Hip-Hop aufgelegt wird. Kurz vor Mitternacht stehe ich also zwischen Jungs mit Kapuzen, Basecaps und Dreadlocks in der Schlange. Es ist, als hätte sich das sympathische Gesindel die ganze Woche über versteckt, um nun bei Dunkelheit aus seinen Löchern zu kriechen. Die Leute hier sehen zwar hart aus, aber niemand drängelt vor.
    Drinnen stehen auf einer kleinen Empore vier DJs an sechs Plattenspielern, scratchen und mixen, was das Zeug hält. Ich bewege mich im Rahmen der vorherrschenden Lässigkeit ein wenig zur Musik, dabei fällt mir eine Frau auf: schulterlanges blondes Haar, strahlend blaue Augen. Sie tanzt langsam und versonnen, in sicherem Abstand zu einer Horde wildhüpfender Typen. Auf ihrer Gürtelschnalle steht Roni. Ob das wohl ein Name ist? Ich spreche sie an: «Hallo, Roni.»
    Sie lächelt überrascht. «Kennen wir uns?»
    Ich stelle mich vor. «Servus», sagt sie und gibt mir vorsichtig die Hand. «Ich hab dich hier noch nie gesehen.»
    «Ich war auch noch nie hier.»
    «Wo kommst du denn her?»
    «Aus Berlin», antworte ich stolz.
    Sie nickt, vollkommen unbeeindruckt.
    Plötzlich schiebt sich von rechts ein Kerl mit Basecap und Nackenlocken zwischen uns. «Hey, mit wem redest du da?», fährt er die Schöne an. Sein breites Kreuz verdeckt sie fast ganz. Ich recke meinen Hals, um ihm über die Schulter zu spähen. In diesem Moment dreht er sich um und blafft mich an: «Hast du ein Problem?» Sein Atem stinkt nach Schnaps.
    «Nein, kein Problem.» Meine Stimme klingt belegt.
    «Aber ich habe ein Problem – und zwar mit dir!» Die Leute um uns herum weichen zurück.
    «Wir kennen uns doch gar nicht», gebe ich zu bedenken.
    Der Typ sprüht förmlich Testosteron. Er ist so dermaßen geladen, seine Stimme bebt: «Aber du wirst mich gleich kennenlernen.»
    Es ist zum Heulen. Endlich will sich mir ein Münchner vorstellen, und dann interessiert er mich nicht. Ich kenne solche Typen. Bei denen ist es besser, ehrlich zu sein, sonst steigern sie sich schnell in eine Lüg-mich-nicht-an-Arie herein.
    «Das ist nett von dir, aber ich möchte dich gar nicht kennenlernen», sage ich frei heraus. Der Typ holt aus.
    In diesem Moment schiebt sich ein Türsteher zwischen uns. «Gibt es hier ein Problem?», will auch er wissen.
    Immer die gleiche Frage, und nie kommt man zu einem Ergebnis. Aber es ist schön zu wissen, dass sich hier so viele Menschen um mein Wohlbefinden sorgen. Diesmal schüttele ich einfach nur den Kopf. Der Kleiderschrank von einem Sicherheitsmann schaut den Typen finster an. Daraufhin trollt der sich.
    Die Blonde holt ihre Jacke hinter der DJ-Empore hervor und

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