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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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stürmt, ohne mich eines Blickes zu würdigen, hinaus. Ich sage zum Abschied leise Servus.
    Hat wohl wenig Sinn, die Kontaktknüpferei. Bis Jochen kommt, schalte ich auf Standby-Modus. Die Innenstadt meide ich fortan völlig, außer während der Arbeitszeit. Mein Leben spielt sich nur noch im Job, der Pubertätswohnung und im Daglfinger Supermarkt mit der fröhlichen Fleischtheke ab. Bis ich beschließe, mir eine Stammkneipe zuzulegen.
    Kurz hinter dem Fliederpark liegt das Leimstüberl. Die Preise dort sind niedrig, die Portionen reichlich, die Sitzecken aus hellem Holz. Knollhubert kommt ebenfalls regelmäßig hierher. Wenn wir uns sehen, grüßen wir mit einem stummen Nicken. Er hockt meist an der Bar, scherzt mit dem Wirt oder der Köchin. Ich sitze stets etwas abseits an einem Einzeltisch und lese beim Essen die Zeitung. Von der ersten bis zur letzten Seite.
    Da muss ich jetzt durch. Aller Anfang ist schwer. In Berlin wurde ich in Clubs anfangs auch oft schon um drei Uhr morgens müde. Aber nach ein paar Monaten ging es besser. Alles eine Frage des Trainings.

FÜRZ EUCH!
    N achdem ich zwei Wochen und zuletzt noch einmal eine quälende halbe Stunde lang gewartet habe, bringt die S-Bahn endlich meinen Jochen nach Daglfing. Die Türen öffnen sich, Jochen sieht aus wie immer, umarmt mich wie immer und entschuldigt sich wie immer für die Verspätung. «Die Bullen am Bahnhof wollten partout nicht glauben, dass ich aus Berlin komme und trotzdem keine Drogen dabeihabe», erzählt er kopfschüttelnd.
    Ich lege ihm den Arm um die Schultern und stelle ihm die traditionelle deutsche Begrüßungsfrage: «Hast du Hunger?»
    Im kleinen Biergarten des Leimstüberls nehmen wir unter einer alten Kastanie Platz. Jochen entscheidet sich für den Grillteller «A Traum». Als Vorspeise wählt er Kasspatzen, ohne dass einer von uns beiden genau sagen könnte, was das ist. Dazu ein Bier.
    Als der Kellner wenig später mit zwei Halblitergläsern zurückkommt, schaut Jochen ein wenig enttäuscht. «Das soll euer großes Bier sein?», fragt er.
    «Naa, des is a Hoibe.»
    «Dann hätten wir lieber zwei Ganze.»
    Der Kellner verschwindet und kommt mit zwei Maßkrügen zurück. Bald darauf bringt er auch das Essen. Die Kasspatzen erweisen sich als eine fette Portion geschmolzener Emmentaler auf einem Bett von saugfähigen Teigwaren. Jochen schüttelt den Kopf. «Spätzle», stößt er verächtlich hervor, «sogar hier!», und schiebt den Brei zu mir herüber.
    Sein Grillteller ist der heimliche Wunschtraum einer schwangeren Vegetarierin. Er besteht aus Kotelett, Steak, Putenfleisch, einer Nürnberger Bratwurst und einem handtellergroßen Schnitzel. Kein Blatt Salat, nicht einmal die obligatorische Raffelmöhrenscheibe. Stattdessen eine Riesenschüssel Pommes. Vor Fleischeslust beginnt Jochen zu schwitzen. Mit dem typischen Heißhunger eines armen Verwandten aus den kargen Nordostprovinzen verputzt er den Berg und wird erst beim Bodensatz der Pommesschüssel langsamer. Ich gebe schon nach zwei Dritteln meiner Kasspatzen auf und schiebe den Teller an den Rand des Tisches. Nachdem Jochen mit dem letzten Pommes das letzte Tröpfchen Bratensaft aufgewischt hat, knüllt er die Papierserviette zusammen und lässt sie auf den blitzeblanken Teller fallen. «Das war wichtig!», stellt er fest, schließt die Augen und lehnt sich zufrieden nach hinten, wo glücklicherweise eine Kastanie steht.
    In diesem Moment taucht neben seinem Teller der tarnfarbene Kopf einer Schlange auf. Hallo? Hat mir da jemand was in die Spätzle getan? Ich schließe die Augen, zähle bis zwei, öffne sie wieder und sehe, dass die Schlange nun ein paar Zentimeter weiter über den Tisch gekrochen ist. Meine Knie werden weich. Der zweite Meter ihres beige-braun gefleckten Körpers zieht sich gerade von der Bierbank auf die Tischplatte. Jochen hält eine Hand auf seinem Bauch und die Augen geschlossen.
    «Beweg dich nicht», flüstere ich.
    «Brauchst du mir nicht sagen», stöhnt er. «Ich bin so voll, ich kann mich gar nicht bewegen.»
    Langsam kriecht die Schlange an seinem blankgeputzten Teller vorbei, ohne die Bratensaftserviette auch nur eines Blickes zu würdigen. Sie gleitet zielstrebig auf die Reste meiner Kasspatzen zu. Ihr unterarmdicker Körper erstreckt sich nun über einen großen Teil des Biertisches. Obwohl es eher eine normal große und keine Riesenschlange ist, kribbelt meine Kopfhaut, mein Körper ist wie erstarrt. Jetzt ist das Biest beim Spätzleteller

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