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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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sich möglichst unauffällig einen runterzuholen. Doch blöderweise weckte sein Gerüttele Punkrockgirlie. Die fühlte sich, nicht ganz zu Unrecht, als Sexobjekt missbraucht und verließ nach einem kurzen Streit die Wohnung. Nun weiß Jochen nicht, wie er sie wieder zurückholen soll. Rausgehen mag er gerade nicht. Ein Klassiker. «Jochen, ich an deiner Stelle würde sie anrufen», rate ich ihm.
    «I aa.»
    «Was?», fragt Jochen.
    «I aa», sagt die Stimme.
    «Hast du das gesagt?», fragt Jochen.
    «Nein», sage ich.
    «Freilich», sagt die Stimme. «I dad sie scho deshoib oruafa, weils ihr die Leitung seid zwoa Stunden belegts. Und wennst dei Freindin oruafst, ko i meine aa oruafa.»
    «Herr Knoll?», frage ich.
    «Ja», sagt Knoll.
    «Würden Sie bitte sofort aus meiner Leitung gehen?»
    «Naa, aba du kannst aus unsra Leitung geh. I wui aa amoi telefoniern.»
    «Jochen, ich rufe dich zurück.»
    «Okay, mach’s gut. Tschüss», sagt Jochen.
    «Habe die Ehre», sagt Knoll.
    Das ist ja wohl die Höhe! Ich knalle den Hörer auf die Gabel und stapfe wutentbrannt die Treppe hinunter. Ich bin hier doch nicht im Kindergarten! Zornig klopfe ich an Knolls Wohnungstür. «I telefonia grad!», schallt es von drinnen. Ich klopfe erneut, höre das Scharren von Füßen. Kurz darauf öffnet Knoll die Tür, einen grünen Siebziger-Jahre-Telefonhörer zwischen Kopf und Schulter eingeklemmt.
    «Herr Knoll …», beginne ich.
    «Sieghst ned, dass i telefonia?», fragt Knoll laut. «Kemma des biddschee morgn beredn?»
    «Ich würde lieber jetzt …»
    «I kimm nachhea nauf», sagt Knoll und schließt die Tür vor meiner Nase. Ich atme tief durch. Nun gut. Oben setze ich mich vor den Fernseher und warte. Eine Stunde und drei Bier später ist mein Zorn so gut wie verraucht. Da klopft es an der Tür.
    «Hea amoi», beginnt Knoll. «Mia missen uns oa Leitung teilen, weil dea Untermair hod bloß zwoa fia des ganze Haus. Und oane ghert eahm.»
    «Dann sollten wir Telefonzeiten vereinbaren.»
    «Ah geh, so a Schmarrn. Mia san in Bayern, da red ma mitanander. I sog da, wenn i telefonian muass, und du sogst mia aa Bescheid.»
    Um des lieben Friedens willen sehe ich von einer weitergehenden Grundsatzdiskussion ab und beschließe, meine Telefongespräche von nun an im Büro zu führen. Mein erster Arbeitstag soll um zehn Uhr beginnen, da reicht es locker, wenn ich um neun Uhr aufstehe. Darauf noch ein Bier, nein, eine Halbe.

I VERSTEH KOA WORT
    K opfschmerzen. Draußen mäht jemand lautstark Rasen, offenbar mit einem Flakgeschütz. Der Wecker hat noch nicht geklingelt, es ist also noch vor neun Uhr. So lecker die Biere auch waren, mein Schädel brummt wie ein Hornissennest. Anscheinend vertrage ich keinen Alkohol mehr oder zumindest keinen bayerischen.
    Vor meinem ersten Arbeitstag könnte ich gut einen Kaffee gebrauchen. Allerdings habe ich hier in Daglfing keine Cafés entdeckt, die einladend aussahen. Genau genommen habe ich überhaupt keine Cafés entdeckt. Ich packe meine Tasche und verlasse das Haus, um in die Stadt zu fahren.
    Draußen lehnt sich Knoll auf einen knatternden Dieselmotor-Rasenmäher. «Grüß Gott, Herr Nachbar», begrüßt er mich. «Da host ja den hoibn Dog verschlafn.»
    «Sie haben mich ja noch rechtzeitig geweckt», antworte ich säuerlich.
    «Des is do selbstverständlich, wo mia uns gestan so schee untahoitn hom.»
    «Können Sie mir sagen, wo ich hier frühstücken gehen kann?», rufe ich, aber Knoll deutet mit dem Finger auf seine Ohren und schüttelt den Kopf.
    «I versteh koa Wort. Du musst boarisch redn!», ruft er und grinst. Ich schüttele den Kopf und ziehe los.
    Es ist ein schöner Frühlingstag, der Weg zur S-Bahn führt durch einen Park, in dem Fliederbüsche herrlich blumig duften. Ich fühle mich an Monets Gemälde «Rast unter Flieder» erinnert. Vielleicht wird es doch nicht so schlimm hier. Was sagen Münchenfreunde immer? Man sei so schnell in Italien. Aber eigentlich ist das ja eher ein Argument für Italien.
    Die Innenstadt liegt zwar nur fünf S-Bahn-Stationen entfernt, doch die Bahn fährt bloß alle zwanzig Minuten. Ich ziehe sicherheitshalber am Automaten einen Fahrschein. Bereits an der nächsten Station steigen uniformierte Schaffner ein. War ja klar, dass hier in München kontrolliert wird! Ein paar Jugendliche stehen betont unauffällig auf und schleichen ans andere Ende des Zuges. In Berlin würden ihnen die Kontrolleure sofort hinterherspurten, ich habe das oft genug selbst erlebt.

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