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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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dem sich Amerikaner und Australierinnen die Oberteile vom Leib reißen und selbst Italiener alles Drollige verlieren. Die Mehrheit der Besucher stellen Asiaten, die sich mit dicken Brillen, dicken Bierkrügen und dicken Bayern fotografieren lassen. Es gibt sogar eine asiatische Brezelverkäuferin im Dirndl. Wir bestaunen sie wie einen Pandabären.
    Rasch freunden wir uns mit zwei betrunkenen chinesischen Managern an. Sie genießen es, lautstark und ohne Risiko die Kommunistische Partei zu verhöhnen. Ein amerikanischer Tischnachbar schimpft gemeinsam mit ihnen auf die «fucking communists». Wir stoßen auf die Völkerfreundschaft an.
    Einer der beiden Chinesen klettert anschließend auf die Sitzbank und verkündet lautstark, dass er seine Firma seit Jahren um ungeheure Summen betrügt. Danach verbeugt er sich und setzt sich wieder hin. Kurz darauf sackt sein Kopf auf den Tisch. Sein Kollege schleppt ihn weg. Wahrscheinlich wird er ihn in einer Seitengasse wegen Hochverrats mit einer vergifteten Regenschirmspitze exekutieren. Egal – darauf ein Prosit, der Gemütlichkeit.
    Die nächste Maß trinken wir mit jungen Neuseeländerinnen, die «Europe» im Großen und Ganzen «great» finden. Weil wir das auch so sehen, tanzen wir mit ihnen. Eine Vier-Mann-Kapelle spielt In München steht ein Hofbräuhaus . Nur heißt es hier: Im Hofbräuhaus geht´s Bier ned aus. Meine Neuseeländerin dreht mich schnell im Kreis herum. In meinem Magen wirbeln die Kasspatzen. Ich lasse die Tanzpartnerin los, presse die Hand vor den Mund und stürze unsicheren Schritts in Richtung Toiletten. Am Waschbecken herrscht wenig Betrieb. Ich drehe den Kaltwasserhahn auf und beuge mich nach vorn, um mein Gesicht zu waschen.
    «Nisch kotzen Waschbecken», höre ich eine verbitterte Stimme neben mir sagen. Sie gehört der Toilettenfrau. «Geh Kotzkübel!», befiehlt sie. Mein Blick folgt der Richtung ihres ausgestreckten Zeigefingers. Direkt am Eingang zu den Herrentoiletten steht ein mannshohes Becken mit Haltegriffen rechts und links. Es sieht aus wie ein Pissoir für Riesen. Da kann man ganz bequem hinwanken und den Kopf auflegen, damit man sich nicht aufs Hemd kleckert. Doch so weit bin ich noch nicht. «Danke, es geht schon wieder», sage ich und drehe mich zum Ausgang. «Kotzt du nisch Weg», gibt die Klofrau mir zum Abschied mit.
    Mittlerweile hat ein strammer Bursche meine Neuseeländerin übernommen. Er sieht kernig aus, gesund und langweilig. Er muss Bayer sein. Um die Tanzfläche herum lauern noch mehr von der Sorte. Wie Hyänen schielen sie auf ihre Beute: betrunkene Touristinnen. Bei Jochens Neuseeländerin kommen sie zu spät. Er markiert sie bereits mit Küssen. Das läuft ja super. Wenn ich mir die Marschmusik, die Trachten und das bayerische Drumherum wegdenke, könnten wir glatt in Berlin sein. Als wir das Hofbräuhaus verlassen, kauft sich Jochen noch ein T-Shirt zum Andenken.
    Am nächsten Tag hätte er gern eine Currywurst zum Frühstück, aber wir finden keine Imbissbude. In München verproviantiert man sich in Metzgereien, mit Leberkäse oder Fleischpflanzln, also Frikadellen. Es gibt natürlich auch Bratwürste, aber eben nicht hauptsächlich. Auf den Alurosten schmoren hier Leberkäslaibe, so groß wie die braunen Kuchen von Oma Duck in den Comics. Mit Mühe, Not und viel süßem Senf zwinge auch ich eine Leberkäs-Semmel herunter.
    Nach dem Essen entscheiden wir uns für einen Besuch im Deutschen Museum – genau das Richtige für verkaterte Berliner. Überall entdecken wir kleine Maschinen, die auf Knopfdruck losrödeln. Man weiß nie genau, ob gleich etwas summt, rollt, leuchtet oder explodiert. Es ist ein wenig wie im Wunderland. Den Rest des Tages verbringen wir damit, auf Knöpfe zu drücken wie Laboraffen in der Verhaltensforschung.
    Am nächsten Morgen begleite ich Jochen nach einem ausgiebigen Weißwurstfrühstück zum Bahnhof. Er versäumt es nicht, einem Polizisten am Bahnsteig nahezulegen, ihn vor der Abfahrt nochmal «ordentlich durchzufilzen». Aber der Ordnungshüter lässt sich nicht provozieren. Kurz darauf ist Jochen weg, und ich bin wieder allein.
    Nun brauche ich keine Sehenswürdigkeiten mehr auszukundschaften. Ich brauche eigentlich überhaupt nicht mehr rauszugehen. Also verfalle ich erneut in Standby-Modus und schalte gelegentlich um auf Autopilot: Ich stehe auf, gehe arbeiten, komme abends nach Hause, jogge, sehe fern und schlafe. Ein kleines Rädchen im großen Getriebe – genau das, was ich nie

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