Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben
werden wollte.
DAHOAM IS BLOSS AM SCHEENSTEN, WENNST IN BAYERN WOHNST
D as ganze Leimstüberl wimmelt nur so von alten Leuten, selbst mein Stammplatz ist besetzt. «Des is da Schützenverein», klärt mich der Wirt auf. «Da musst dia a Platzl suacha!» An der Bar steht noch ein freier Hocker. Neben Knoll.
«Entschuldigen Sie», sage ich. «Haben Sie noch Platz für Ihren Nachbarn?»
«Wennst endlich aufheast, mi zu siezn. In Bayern sogn ma du. I bin da Hubat, aba du deafst Knoll zu mia sogn.»
«Ich bin …», beginne ich, da fällt er mir ins Wort: «Du bist da Waschtl. I woaß scho.»
«Nein, ich bin nicht der Waschtl.»
«Da scho.»
Es bringt ja nichts, zu widersprechen. Also setze ich mich erst mal. Knoll trinkt einen Schluck dunkles Bier aus seinem 0,5-Liter-Glas, setzt ab und fragt: «Geht dia Preißn ab?»
«Daheim ist es doch immer noch am schönsten», seufze ich.
«Naa», sagt Knoll mit ernster Miene und hebt den Zeigefinger, «dahoam is bloß am scheensten, wennst in Bayern wohnst.»
Für ein längeres Gespräch reichen meine Sprachkenntnisse noch nicht aus. Doch Knoll spricht aus Rücksicht viel langsamer und betont die Endungen der Worte. Dabei zieht er die Mundwinkel in die Breite, als müsste ich von seinen Lippen ablesen. Irgendwie rührend. So kann ich Grundzüge seiner Ausführungen erahnen.
Endlich erfahre ich einige Interna. Zum Beispiel, warum Mistkater Ludwig immer zu mir nach oben flüchtet: Kilian hat einmal versucht, mit ihm Zirkus zu spielen. Er hat seinen Kumpels ein saftiges Eintrittsgeld abgeknöpft und den Ludwig durch einen Flammenreifen geworfen. Weil der Kater ein wenig gebrannt hat, löschte ihn Kilian mit einem Glas Cola. Seitdem hat Ludwig begreiflicherweise Vorbehalte gegenüber Cola, lauter Musik und Feuer.
«Und Schlangen», ergänze ich.
«Geh, hosd den Schorsch aa scho kennaglernt?»
«Ja, er hat meine Käsespätzle aufgegessen.»
Knoll lächelt zufrieden. «Ja, die mog er.»
Ich erzähle Knoll von meiner Kindheit in Tiefenwalde, wo es höchstens Blindschleichen gab. Knoll hat die Schultern etwas hochgezogen, streicht versonnen über seinen Bierkrug und hört aufmerksam zu. Manchmal fragt er auch nach. Er will genau wissen, welche Arten von Mettwurst es in meiner Heimat gibt, wie sich die Leute dort kleiden und ob es dort auch so ruhig sei.
«Hast du denn Bayern nie verlassen?», frage ich.
«Ah geh, freilich.»
«Und wo bist du hingefahren?»
«Des is a lange Gschicht.»
«Ich habe Zeit», sage ich und bestelle noch zwei Bier. Knoll beginnt zu erzählen. Er kam in Dumbling zur Welt, einem kleinen Dorf in der Nähe von Starnberg. «Ganz recht, Dumbling, wie da Knedl auf Amerikanisch», ergänzt er, als er mein erstauntes Gesicht sieht. Knolls Vater war Musiker. Nach der Oberschule absolvierte Knoll eine Lehre als Elektrotechniker und genoss ein paar Jahre das «wuide Lebn auf Montasche». Seine Firma schickte ihn um die halbe Welt. Er schließt kurz die Augen. «Wichtig ist, wost gseng hosd. Des koa dir koana nehma.»
Ich bin baff. Das hätte ich von diesem alteingesessenen Bayern nun wirklich nicht erwartet. «Was hast du denn alles gesehen?», frage ich.
«Ah, Europa komplett, Australien, Neuseeland, Asien, Kanada und Amerika. Ois oida Wuidwest-Heftl-Leser mogi am liabsten de Staaten. Des Land is schee.»
Knoll erzählt, dass er einmal 16 Wochen lang per Autostopp von New York bis nach Mexiko getrampt sei.
«Hast du Bayern nicht vermisst?»
«Wenn i an der Straßen gstandn bin, scho. Aber wenni weg gwesn bin, hob i nie dahoam ogrufa. I woa ja weg.»
«Und reist du jetzt noch viel?»
«Naa, i hob an Bürojob. Telefonbransche. Und i hoba Freindin. Soi i da amoi a Buidl zoagn?»
Knoll steht auf und kramt in seiner Lederhose. Er holt das Bild einer hübschen Fünfzigjährigen mit keckem Lächeln und kurzen blonden Haaren heraus. Sie heißt Regina und kocht manchmal im Leimstüberl, weshalb Knoll auch nicht lange zögerte, seine Exschlange dort unterzubringen. Regina kommt auch aus Dumbling. Also eigentlich, und das sagt Knoll etwas leiser, kommt sie aus Hannover und ist erst vor zwanzig Jahren mit ihrer kleinen Tochter nach Dumbling gezogen – in eine Wohnung des Hauses, in dem Knoll damals wohnte, wenn er nicht gerade auf Montage arbeitete. Na ja, und da hat er Reginas Tochter manchmal von der Schule abgeholt, wenn Regina länger arbeiten musste. Daraufhin habe ihn Regina gelegentlich zum Essen eingeladen. Und so seien sie eine Familie
Weitere Kostenlose Bücher