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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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geworden.
    «Und warum bist du nicht in Dumbling geblieben?», frage ich.
    «Do hods Komplikationen gebn», sagt Knoll mit fester Stimme und wendet den Blick ab. Ich beschließe, ein anderes Mal nachzuhaken.
    «Hosd aa a Buidl von deim Madl?», fragt Knoll. «Nein», seufze ich. «Ich habe keine Freundin.» Darauf stoßen wir an.
    Von diesem Abend an sitze ich im Leimstüberl zusammen mit Knoll an einem Tisch. Meine Portionen wachsen etwa um das Doppelte, egal, was ich bestelle. Und unsere gemeinsamen Abendstunden entwickeln sich allmählich zu einer Art Volkshochschulkurs «Ethnologie des Bayerischen».
    Ich lerne unter anderem, dass die Griechen, von denen ja sonst immer alles abstammt, ihre Nationalfarben den Bayern zu verdanken haben. Das kam so: Ludwig I., König von Bayern, hatte einen Sohn, Otto I., der später König von Griechenland wurde. Der nahm damals die bayerischen Farben aus Heimweh mit nach Athen und drückte sie als Nationalfarben durch. Als kleines Dankeschön ersetzte Ludwig 1825 den wirklich sehr deutschen Buchstaben «i» in «Baiern» durch das griechische «y». So wurden Griechen und Bayern Knoll zufolge «Bluadsbriada». Das erklärt einerseits das stoische Gemüt der Bayern und andererseits, warum es in München so viele griechische Tavernen gibt.
    Natürlich will ich vor allem wissen, was «Fürz euch» bedeutet. Knoll lässt sich nicht lange bitten: «Des is a Verabschiedung, die fia oan alloan ‹Pfüat di› hoaßt, oiso (und das spricht er so deutlich aus, als wäre ich schwer von Begriff) ‹Behüte dich Gott›. ‹Pfüats eich› is hoit fia mehr.» Aha!
     
    An einem Dienstagabend erfahre ich dann, was es mit der Weißwurst auf sich hat. Die sei ein Ausrutscher des Münchener Metzgers Mosersepp, erklärt Knoll. Die Tradition, nach der man Weißwürste nicht nach zwölf Uhr mittags essen dürfe, stamme noch aus einer Zeit, in der es weder Konservierungsmittel noch Kühlschränke gab. Nach zwölf Uhr waren die Würste damals eben verdorben. Wer versehentlich nachmittags Weißwürste aß, riskierte eine Lebensmittelvergiftung. Die abergläubische Landbevölkerung aber interpretierte die plötzlichen Tode als Gottesgericht. So bekam die «Nicht-nach-zwölf-Uhr»-Regel den Stellenwert eines christlichen Gebotes.
    Als ich ihm von meiner jüngsten Weißwursterfahrung erzähle, hört er mir aufmerksam zu, ohne über meine Naivität zu lachen. «I geb no immer a bisserl Zitrone ins Wasser», ergänzt er. «Und wennst amoi a Weißwurscht dahoam in Preißn machst, na kaafst fei oane mehr. A Opferwurscht.»
    «Ist das wieder so ein Aberglaube?»
    «Naa, des is a Opfer fia den Gschmog. Die Wuascht muasst schneidn und ins Wassa doa, weil Weißwürscht, die ned aus Bayern san, die geben Gschmog ab. Da brauchst scho a Opferwurscht.»
    Während ich Knolls Worte sacken lasse, empfinde ich tiefes Mitgefühl für all die norddeutschen Weißwürste. Ich kann sie gut verstehen. Auch ich fühle mich hier häufiger wie eine Opferwurst.
    Knoll scheint meine Melancholie zu spüren, denn als ich mich an diesem Abend von ihm verabschiede, sagt er mit ungewohnter Herzlichkeit: «Servus.» Und mit verschwörerischem Grinsen ergänzt er: «Waschtl.»

UND IS DEI WEG AA NO SO STEIL, A BISSAL WOS GEHT ALLAWEIL
    E ines Abends, ich komme gerade vom Fliederparkjogging, klingelt es an der Tür. Es ist Herr Untermair, der mir freundlicherweise seit meiner Ankunft aus dem Weg geht. «Am Wochenende», verkündet er, «muss ich Eigenbedarf anmelden. Für diese Wohnung.» Er sagt, seine Schwiegereltern kämen zu Besuch, und die könne er ja schlecht in einem Hotel unterbringen.
    «Aber ich bezahle Miete!», protestiere ich.
    «Laut Untermietvertrag haben Sie nur das Schlafzimmer gemietet, nicht das Fernsehzimmer. Dort durften Sie sich bisher aus Kulanz aufhalten. Und das soll doch so bleiben, oder?»
    Dieser Schuft! Aber was soll ich machen? Mich ans Bett ketten und eine Nacht zwischen Untermairs Schwiegereltern verbringen? Nein danke. Ich muss mir eine andere Schlafstelle suchen. Blöderweise kenne ich niemanden in München, bei dem ich übernachten könnte. Außer Knoll.
    Ich dusche, ziehe mir ein Hemd an, nehme zwei Augustiner Helle aus dem Kühlschrank und gehe die Treppe hinunter. Zum ersten Mal fällt mein Blick auf die blau-weiße Fußmatte. Darauf steht: «Und is dei Weg aa no so steil, a bissal wos geht allaweil.»
    Vorsichtig klopfe ich an Knolls Wohnungstür. «Jo?», tönt Knolls Stimme gedämpft von irgendwo

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