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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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da drinnen.
    «Ich bin’s, der Nachbar von oben.»
    «Da Waschtl?»
    «Ich habe zwei Helle mitgebracht und ein Problem», rufe ich mutig zurück. Wenig später öffnet jemand die Tür. Jemand ohne Tracht. Aus Rauschebart und Leibesfülle schließe ich, dass es trotzdem Knoll ist. Allerdings sieht er ohne seine traditionelle Montur ziemlich verändert aus. Knoll trägt eine weiße Leinenhose und ein verwaschenes Hemd mit V-Ausschnitt, wie es Yogalehrer anziehen. Er bittet mich herein.
    Im Flur seiner Wohnung hängen ein Hirschgeweih, einige Ölgemälde von Berglandschaften und ein Kreuz. Zwischen den bayerischen Memorabilia entdecke ich ein gerahmtes Poster von Jimi Hendrix. Zwei Ledersessel im Herrenclub-Stil flankieren einen kleinen Teetisch. Bücherregale bedecken die Wände. Auf dem Fußboden liegt ein asiatisches Sitzkissen, das recht abgesessen wirkt, davor steht eine kleine Buddhastatue. Einen Fernseher scheint Knoll nicht zu besitzen.
    Er bedeutet mir, auf einem der Sessel Platz zu nehmen. «Wos is passiert?», will er wissen. «Host Schädlweh? Des kriagn olle Zuagroasten. Kimmt vom Föhn.»
    Ich schüttele den Kopf. «Nein, keine Kopfschmerzen. Ein kleines Problem mit Untermair.» Ich schildere ihm die Lage.
    «So a gscherter Ramme», meint Knoll. Dem stimme ich einfach mal zu.
    Knoll greift sich das grüne Siebziger-Jahre-Telefon, wählt und spricht. Ich verstehe nur ein paar Wortfetzen – «Naa, des is a Netter» und «Naaaa, der is ganz harmlos». Bei diesen Worten wirft er mir einen strengen Blick zu, der besagt: «Sei harmlos!»
    Mit einem «Servus» legt er auf und kommt zurück. «Die Regina, mei Freindin, hod a Dochda, bei der kannst a Nacht bleim.» Für diese gute Nachricht könnte ich ihm um den Hals fallen, schüttele ihm dann doch nur die Hand und sage: «Vielen, vielen Dank.» Er winkt ab und öffnet die beiden Biere. Wir stoßen auf die gelungene Problemlösung an.
    «Und gfoits dia scho bessa?»
    «Ach weißt du, ich tue mich noch ein bisschen schwer mit dem ganzen Brauchtum», gebe ich zu.
    «Tradition is fei wichtig. Ma muass wissn, wo ma heakimmt und wo man higheat, sonst koa ma verlorn geh.»
    Aha. Jetzt wird er lebensphilosophisch.
    «Du deafst ned vergessn, dass vui fia die Touristen gmocht wead. Und wenns immer hoaßt: ‹Du bist a Seppl›, da wiast irgendwann aa a Seppl. Vui Trachtler megn des Lederhosenbusiness ned, die kemma ned zum Oktoberfest und ned amoi in die Stadt. Tradition is ned bloß Weißwürscht, Bier und Marschmusi. Des is a Hoitung, a Lebenseinstellung. Da nimmst ois, wias kimmt.»
    Zum ersten Mal verstehe ich jedes Wort. Vielleicht hängt das mit seiner unbayerischen Kleidung zusammen. Oder mit dieser Wohnung, die aussieht wie die Schatzkammer eines Weltumseglers.
    «Das Poster von Jimi Hendrix gefällt mir», sage ich. «Kommt das auch aus Amerika?»
    «Naa, des is aus England. Des hod mia a Spezl mitbracht, der an Dschimi kennt hod.»
    «Du kennst jemanden, der Jimi Hendrix kannte?»
    «Freilich, dem Huberfranzl sei Schwester is damoisa Gschpusi vom Dschimi gwesn. Dea hod bayerische Madln gmocht.» Soso. «Die Schwester is a Freindin von da Obermaieruschi gwesn.»
    «Verstehe.» Diese Geschichte scheint mir recht zweifelhaft.
    Als wir uns später verabschieden, werfe ich noch einen genaueren Blick auf das Hendrixposter. Tatsächlich: Leicht verblasst und in ziemlicher Sauklaue steht neben dem Autogramm: «For Hubbard.»
    Knoll drückt mir einen Zettel in die Hand. Darauf steht «Veronika» und eine Telefonnummer. «Danke, Knoll», sage ich. «Du hast was gut.»
    «Ah geh», brummt er. «Des passt scho.»

ACH, SCHMARRN!
    H allo», sagt die Frauenstimme am anderen Ende der Leitung. Sie klingt sowohl unaufgeregt als auch unbayerisch. Ich sage: «Ich bin der Typ, der gern bei dir übernachten würde.» Sie lacht und legt auf.
    Ich Depp! Also rufe ich noch einmal an, entschuldige mich für die unglückliche Ausdrucksweise und berufe mich direkt auf Knoll. Jetzt fällt der Groschen. Ja, sagt die Stimme, ihr Mitbewohner drehe gerade im Ausland, und deshalb könne ich in seinem Zimmer schlafen. Sie will nicht wissen, wie alt ich bin, wie ich aussehe, gar nichts – nur, ob ich ein paar Bier mitbringe. Wir verabreden uns für Samstagnachmittag um vier.
    Den ganzen Samstagvormittag über räume ich die Wohnung für Untermairs Schwiegereltern auf. Dann fauche ich Ludwig zum Abschied ins Gesicht und mache mich auf den Weg.
    Veronika wohnt in einem Münchener Stadtteil

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