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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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Dunstgemisch aus Schweiß, Hähnchengewürz und Bier entgegen. Das Zelt ist so groß wie das Mittelschiff einer Kathedrale, die Atmosphäre das genaue Gegenteil. Auf einem Podest in der Mitte spielt eine Blaskapelle «Viva Colonia», die meisten Gäste schunkeln mit. Mein erster Reflex: Ich will hier raus. Und zwar schnell. Aber Jochen zieht mich weiter: «Auf RTL2 haben sie gesagt, nach der dritten Maß wird’s richtig lustig.»
    Wenigstens hat er wieder ins Hochdeutsche zurückgefunden. Trotzdem:
    «Jochen, wir werden nicht zu dieser Prolomusik auf den Tischen tanzen, egal wie betrunken wir sind!» Ich muss Grenzen setzen. «Lass uns doch hier draußen etwas trinken.»
    Jochen mault. «Draußen ist für Verlierer», meint er und schubst mich tiefer ins Gewimmel.
    Aus dem Augenwinkel sehe ich zwei Betrunkene ihre Humpen beim Anstoßen so stark gegeneinanderhauen, dass sie zersplittern. Kopfschüttelnd starren die Kerle für einen Moment auf die abgebrochenen Henkel in ihren Händen und winken gleich darauf die Kellnerin zu sich.
    Leute jeden Alters und jeder sozialen Schicht schunkeln auf den Bänken, prosten einander zu und zerlegen halbe Hühner mit den Fingern. Noch steht hier keiner auf den Tischen. Aber wahrscheinlich ist es dafür einfach noch zu früh. Durch die Gänge eilen Bedienungen, die Arme voller Maßkrüge. Bisher hatte ich angenommen, dieses Postkartenbild von der Frau mit den zwanzig Krügen wäre am Computer zusammengebastelt worden.
    Jochen fragt ein paar Gäste, ob wir uns zu ihnen setzen dürfen, wird aber abgewiesen. Wir laufen Reihe um Reihe ab – vergeblich. Also ab ins nächste Zelt. Im «Hippodrom» sehen wir endlich einige Amerikaner auf den Bänken stehen, und im «Schottenhammel» feiern Teenager und solche, die gern noch welche wären. Oder wenigstens welche abschleppen wollen. Nur Sitzplätze finden wir keine, weshalb Jochens Laune allmählich sinkt. Ich schlage vor, erst mal bei dieser Fischer-Vroni vorbeizuschauen. «Da können wir uns wenigstens mal hinsetzen und eine Maß trinken.» Jochen ist einverstanden.
    Bei «Fischer-Vroni» finden sich, wie in jedem Zelt, längst der Seitenwände abgetrennte Bereiche mit je einem Tisch für etwa zehn Leute. Per SMS navigiert mich Roni zu ihrer Box. Dort sitzen Regina, Knoll und Die Obrigkeit. Mich kennen die Männer ja bereits, Jochen stelle ich als meinen Spezl vor. Die Männer rücken zusammen. Jochen sitzt nun in der Mitte auf der Bank, gegenüber von Knoll und dessen Kollegen, ich am Rand, Roni und Regina gegenüber. Endlich angekommen! Eine Kellnerin bringt einen Arm voll Bier. Endlich Bier! Wir stoßen mit allen am Tisch an, was eine Weile dauert. Kaum haben wir die Krüge abgesetzt, spielt die Kapelle «Ein Prosit der Gemütlichkeit». «Jeder nimmt seinen Maßkrug», befiehlt der Kapellmeister. Wir heben erneut. «Oans, zwoa, gsuffa!» Alle trinken ein paar große Schlucke, manchen läuft das Bier aus den Mundwinkeln übers Kinn. Gleich noch «Ein Prosit der Gemütlichkeit» hinterher.
    So geht das von nun an alle fünf Minuten. Hier wird immer zusammen getrunken. Sobald einer unbewusst seinen Krug auch nur ein Stückchen anhebt, folgen ihm alle anderen und stoßen über den ganzen Tisch hinweg an. Und zwar der Reihe nach, nach vorn mit kurzem, nach hinten mit langem Arm. Nur Roni trinkt Radler. Sie hat versprochen, Knoll nach Daglfing und ihre Mutter nach Dumbling zu fahren, weil zur Wiesnzeit so viele Idioten in der S-Bahn unterwegs sind.
    Auf unserem Tisch steht ein großer Teller Mini-Buletten. «Die hod sie neigschmuggelt», ruft Knoll und deutet auf Regina.
    «Was denn?», verteidigt sie sich. «Die Preise hier kann man ja nicht unterstützen.»
    Regina erzählt mir, dass sie selbst einst auf der Wiesn gearbeitet habe. Pro Tag habe sie bis zu tausend Mark verdient. Eine Knochenarbeit sei das gewesen, «aber gut bezahlt». Sie kenne Kellnerinnen, die ausschließlich auf dem Oktoberfest arbeiteten und das restliche Jahr über gar nicht mehr. Kann ich gut verstehen.
    Jochen haut sich ungefragt eine Mini-Bulette nach der anderen rein. Das ist mir ein bisschen unangenehm, aber sonst scheint sich keiner daran zu stören. Im Gegenteil: «Dein Freund ist aber ein guter Esser», bemerkt Regina mit wohlwollendem Blick. Um zu beweisen, dass ich ein noch besserer Esser bin, bestelle ich zusätzlich ein halbes Hähnchen und Kartoffelsalat. Als ich dem Hendl gerade mit Messer und Gabel zu Leibe rücken will, ruft jemand vom Nachbartisch:

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