Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
Vom Netzwerk:
verbracht hatte, den Computer zu beschimpfen, rief er schließlich bei Karstadt an, um sich über die «blede Maschin» zu beschweren. Ein Verkäufer erklärte ihm, dass er einfach langsam, deutlich und vor allem hochdeutsch sprechen solle. «I hob mi gfuit wia a dumma Bua», murmelt Knoll niedergeschlagen.
    «Du bist doch Ingenieur, erfinde doch einfach ein bayerisches Sprachsystem», schlage ich vor. «Dann verkaufst du das Patent und wirst damit reich!»
    «Waschtl, des is do fui zu anstrengend.» Zur Bekräftigung nimmt er einen Schluck Bier.
    «Apropos anstrengend», Knoll wechselt das Thema, «in zwoa Wochn is wieda so weit.» Ein tiefer Seufzer. «Die Wiesn.» Das Oktoberfest kenne ich natürlich bereits aus dem Fernsehen: eine ehemals bayerische Brauchtumskirmes, die heute von Australiern, Amerikanern und Leuten wie mir dazu missbraucht wird, sich ins Koma zu trinken und unter dem Deckmantel der Gemütlichkeit alle Hemmungen fallenzulassen.
    «Kinesenzirkus!» Knoll seufzt.
    «Du gehst bestimmt nicht hin, oder?»
    «Doch, amoi, mit da Obrigkeit. Die ham a Box reserviert. Konnst mitkemma, wennst mogst. Des soitst scho amoi geseng ham, damitst woaßt, wos des foische Bayern is. – Die Vroni kimmt a mit.»
    Er sieht mich vielsagend an.
    Mit einem Mal sprudelt es aus mir heraus: «Ach Knoll, irgendwie komme ich mit Roni nicht weiter. Ich habe schon das Gefühl, dass sie mich mag, aber sie lässt mich einfach nicht an sich ran.»
    «Ja, es is hoit ned immer ois so einfach.»
    «Zum ersten Mal seit Jahren bin ich richtig verliebt, aber immer, wenn ich den ersten Schritt gehen will, kommt etwas dazwischen, oder, offen gesagt, ich traue mich nicht.»
    «Vielleicht traust di ja auf da Wiesn?»
    «Na ja. Ein bisschen romantischer könnte das schon laufen.»
    «Is des ned a schens Gfui? Lass da Zeit, Waschtl. Die Vroni hod fei ganz a schlechte Erfahrung gmacht. Desweng is ja aa nach Berlin ganga. Des is jetza drei Jahr her, und sie hod seither koan Freind ned ghabt. Die wart aufn weißen Ritta, der dahergritten kimmt und sie zur Frau nimmt.»
    «Aber ist das nicht ein wenig altmodisch?»
    «Bei ihra Mutta hods funktioniert.»
     
    Ein paar Tage später ruft Jochen an. «Alter, rate mal, wer zum Oktoberfest nach München kommt?»
    «Keine Ahnung, Paris Hilton?»
    «Fast. Ich.»
    «Und du rufst an, um zu fragen, ob du bei mir übernachten kannst?»
    «Nee, ich rufe an, um dir mitzuteilen, dass ich bei dir übernachten werde.»
    «Und wenn ich keine Zeit habe?»
    «Natürlich hast du Zeit. Wir machen da schwer einen drauf. Ich habe Bilder im Internet gesehen: die reinste Orgie, Alter. Bis nächsten Freitag.»
    «Tschüss, Jochen.»
    Am Abend bin ich mit Roni in einer Wirtschaft bei ihr um die Ecke verabredet. Sie habe eine Überraschung für mich, hat sie am Telefon angekündigt.
    Roni ist die einzige Frau, die ich kenne, die pünktlich zu einer Verabredung kommt. Unter dem Arm trägt sie eine schwarze Plastiktüte. Nach der Begrüßung reicht sie mir das Mitbringsel mit der Empfehlung, mich erst mal hinzusetzen und ein Helles zu bestellen. Mache ich. Dann greife ich in die Tüte und ziehe ein dickes Hochglanzmagazin heraus: die japanische Vogue . Das Magazin ist mit bunten Schriftzeichen bedruckt, auf dem Cover posiert ein blasses Männermodel in Hemd, Lodenmantel und einem Hut mit erstaunlich viel Gedöns dran. Darunter steht in fetten Lettern: «Bavarian Anarchy». Der Typ sieht aus wie ich. Nein, der Typ bin ich!
    Roni grinst über beide Ohren. «Kaum wohnst du ein halbes Jahr in München, schon bist du Topmodel. Herzlichen Glückwunsch!»
    Ich blättere zur Titelgeschichte, die praktischerweise auf japanisch und englisch abgedruckt ist. Die Überschrift lautet: «The Wild Side Of Bavaria». Im Artikel finde ich ein weiteres Foto von mir, dazu etliche Bilder von alten Trachtlern, Gamsbartfesten und Fingerhakel-Wettkämpfen. Der Autor schreibt: In Zeiten der Orientierungslosigkeit und des Überflusses, in denen jeder schriller, bunter und provozierender sein will als der andere, liegt die größte Provokation in der Tradition. Während magersüchtige Models beim ersten Windstoß vom Laufsteg geweht werden, haut einen echten Bayern kaum etwas aus den Wadlstrümpfen.
    Auf drei Seiten lobt der Text die bayerischen Bräuche als «den wahren Weg, zum Mann zu reifen». Fingerhakeln sei härter als Kitesurfen, Polka treibender als Punk. Und ich stehe auf dem Cover als Ikone der neuen Bavarian Anarchy!
    Roni schüttelt sich

Weitere Kostenlose Bücher