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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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fassen. «Und denen hast du gesagt, du suchst einen Entführer?»
    «Chausmeister», korrigiert mich Pawel mit erhobenem Zeigefinger.
    Gerade lenkt Jochen den Bulli vom Mittleren Ring auf die A9, die direkt nach Berlin führt. Ich versuche es mit Betteln. «Jochen, bittebittebitte dreh um. Du glaubst gar nicht, wie wichtig diese Hochzeit für mich ist. Wir machen es so: Du übernachtest bei mir, und wenn ich dich morgen nicht überzeugt habe, nimmst du mich eben mit nach Berlin.»
    «Einspruch abgelehnt, mein Lieber.»
    Auch Pawel lässt mich abblitzen, als ich ihm das Doppelte von dem anbiete, was Jochen zahlt. «Ausgebucht», behauptet er. Ich lege mich auf die Matratze und denke nach.
    Mir fällt nichts ein.
    9 : 02 UHR
    Wir werden langsamer. «Verdammt, die Bullen!», flucht Jochen. Pawel betet. Wahrscheinlich russisch-orthodox. Ich spüre, wie der Bulli zum Stehen kommt. «Versteck dich!», zischt Jochen.
    Ich denke gar nicht daran. Auch wenn ich meinen Freund nicht wegen meiner Entführung hinter Gitter bringen möchte, so ist das doch eine gute Gelegenheit, dem ganzen Spuk ein Ende zu bereiten. Noch könnte ich es rechtzeitig schaffen.
    Jochen kurbelt das Fenster herunter. Ich höre eine fremde Stimme: «Grüß Gott, die Herren Berliner! I woit Eahna nua sagn, Eahna Auspuff fäit bald ab. Den Führerschein und die Fahrzeugpapiere, bittschee.»
    Jochen reicht beides durch das Seitenfenster. Der Beamte entfernt sich und kommt viele Minuten später wieder zurück.
    «Steigens amoi aus und öffnens den Wagn!»
    Jochen folgt. Die Schiebetür geht auf. Wir stehen auf einem dieser typischen Autobahnparkplätze ohne Tankstelle. Jetzt könnte ich herausspringen und dem Beamten alles erzählen. Es gäbe ein großes Durcheinander und womöglich einen langwierigen Rechtsstreit. Ich muss an Right Said Fred denken: «’Cause you’re my mate, and I will stand by you.» Also gähne ich demonstrativ und sage: «Grüß Gott, Herr Wachtmeister.»
    Pawel zeigt sich weniger souverän. Bevor ich irgendetwas hinzufügen kann, krächzt er: «Er ist legal» und wedelt mit der Vollmacht. Daraufhin lässt sich der Polizist unsere Ausweise zeigen und liest das von Jochen und mir verfasste Dokument. Seine Miene verfinstert sich.
    «Wos is denn des fia a Schmarrn?», fragt er.
    «Was denn?», frage ich unschuldig zurück.
    «Sie mögn Bayern ned?» Der Ordnungshüter ist echt gekränkt.
    «Doch, doch», beschwichtige ich. «Ich fühle mich hier richtig wohl. Ich bin sogar niederbayerischer Meister im Ochsenrennen.»
    «Werdens ned frech!», schnauzt er mich an. «Und Sie –», er wendet sich an Jochen, «Sie konn i ned weiterfahrn lassen, des oane Bremslicht is defekt, da TÜV seit aam Jahr obgelaufn, und des Reifenprofil mog i gar ned oschaun.»
    «Wir sind gerade auf dem Weg zur Reparatur», lügt Jochen. «Die machen auch gleich den TÜV.»
    Pawel mischt sich ein: «Ich kann machen.»
    Nun wird es dem Polizisten allmählich zu bunt: «Naa, jetzat reicht’s. Der Wagn bleibt do, den lassn mia abschleppen. Mia kenna aich mit zur S-Bahn nehma.»
    10 : 17 UHR
    An der Bahnstation verabschiedet sich Pawel von uns. Er will zur Autobahnauffahrt und zurück nach Berlin trampen. Ich leihe Jochen fünfzig Euro, damit er den Aushilfsentführer bezahlen kann. Er selbst kommt erst mal mit zu mir.
    In der S-Bahn erkläre ich ihm ganz ruhig, dass mein Zustand nichts mit Gehirnwäsche, sondern viel mehr mit Erwachsenwerden zu tun hat. Als ich meine Ausführungen beendet habe, sieht Jochen ein bisschen traurig aus. «Aber du kommst doch hoffentlich noch ab und zu zum Spielen nach Berlin, oder?»
    Das werde ich tun. Doch jetzt läuft uns die Zeit davon. Wir hetzen zu meiner Wohnung. Ich dusche, putze meine Zähne und rasiere mich in Windeseile. Jochen hat sich gefügt und bügelt sogar mein Hemd.
    11 : 23 UHR
    «Mach einfach die Tür hinter dir zu, wenn du gehst», rufe ich Jochen über die Schulter zu. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass er noch ein paar Tage bleiben wird.
    11 : 58 UHR
    Atemlos komme ich in Dumbling an. Das Wirtshaus liegt in der Nähe der Kirche. So haben es die Leute nach dem Gottesdienst nicht so weit zum Frühschoppen. Die meisten Bayern besuchen die Messe vermutlich wegen des Bieres danach und des gemütlichen Beisammenseins. Natürlich haben sie nichts gegen eine Portion Seelenheil einzuwenden, aber das allein könnte sie sonntagmorgens wohl nicht so früh aus den Betten locken.
    Meine italienische Designer-Lederhose sitzt wie

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