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Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben

Titel: Na Servus! Wie ich lernte, die Bayern zu lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sebastian Glubrecht
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schwangere Redakteurin, die ich bei der Zeitung vertrete, wurde gleich wieder schwanger und mein Vertrag verlängert. Meine Berliner Wohnung habe ich längst gekündigt.
    Gemächlich jogge ich in Richtung Hauseingang. Ich bin extra früh aufgestanden, um mich in aller Ruhe auf das Wiedersehen mit Roni vorzubereiten. Diesmal wird sich die preußische Pünktlichkeit auszahlen.
    Ach Roni!
    Ich halte einen Moment inne und lasse mir die Sonne ins Gesicht scheinen. Hätte ich einen Wunsch frei, es wäre dieser: Ich betrete den Saal, die Menge verstummt und gibt eine Gasse frei, an deren Ende Roni steht. Langsam gehen wir aufeinander zu …
    Ein magensaftgrüner VW-Bulli schrammt am Bordstein entlang und reißt mich aus meinen Träumen. Mit quietschenden Reifen kommt er direkt neben mir zum Stehen. Ich stutze. Kurz. Denn nun wird die Seitentür aufgerissen, und heraus springen zwei vermummte Gestalten. «ATTACKE!!!», brüllt eine von ihnen. Dann wird es dunkel. Jemand hat mir einen Sack übergestülpt. Zwei starke Arme umklammern meinen Körper wie Schraubzwingen und versuchen mich hochzuheben. Adrenalin schießt durch meine Adern.
    «Das Gaffatape, Alter, mach schon!» Die Stimme kommt mir bekannt vor. Jemand fesselt meinen Oberkörper, aber ich habe ja noch die Beine. Mit voller Wucht trete ich nach vorn – und ins Leere.
    «Danäbben», stellt eine zweite Stimme trocken fest. Ein Osteuropäer? Seine Hände umklammern meine Beine.
    Nun werde ich komplett verschnürt, hochgehoben und auf eine Matratze gelegt. Ich höre, wie die Tür des Bullis ins Schloss fällt. Hier drinnen ist es ruhig.
    Die erste Stimme durchbricht die Stille: «Siehste, hab ich’s nicht gesagt? Der fängt mit seinen Karatetricks an.» Jochen! Das ist Jochens Stimme!
    «Jochen, lass den Scheiß, was soll denn das?», rufe ich. «Nimm den Sack runter und mach mich los. Das ist nicht witzig .»
    «Glaubst du, mir macht das Spaß, du bayerischer Exberliner?!»
    «Jochen, hör mir zu: Ich muss zu Knolls Hochzeit!»
    «Du weißt doch gar nicht, was du da redest, die haben dir eine Gehirnwäsche verpasst.»
    «Nein! Die Dinge haben sich geändert, ich habe mich geändert. Ich bin verliebt. Jochen, ICH MUSS DA HIN!»
    «Vertrag ist Vertrag.»
    Jetzt fällt mir alles wieder ein. Ich Idiot habe doch tatsächlich meine eigene Entführung aus München vertraglich genehmigt. Was habe ich bloß getan?
    «Verdammt, Jochen!», schreie ich. «Du bist doch mein Freund! Ich habe nur noch zwei Stunden, und ich muss mich noch rasieren und das Hemd bügeln, damit ich bei Familie Knoll einen guten Eindruck mache.»
    «Oh, der Herr will einen guten Eindruck machen …», äfft Jochen. «Du solltest dich mal hören, Alter!»
    «Jochen, mach mich so-fort los!», schimpfe ich. «Sonst kündige ich dir die Freundschaft!»
    «Du benimmst dich wie ein Mädchen.»
    Nachdem ich fünf Minuten lang wie ein Besessener in meinem Sack gewütet habe, höre ich den Osteuropäer fragen, ob er mich umlegen soll.
    8 : 17 UHR
    Jochen dreht das Radio auf. Right Said Fred singen «’Cause you’re my mate, and I will stand by you». «Passt doch wunderbar», findet Jochen und singt aus vollem Hals. Kurz darauf stimmt auch Pawel ein. Als die beiden Knallköpfe fertig sind, verspreche ich Jochen, ganz ruhig zu sein, und bitte ihn, mir wenigstens den Sack abzunehmen.
    «In Ordnung, mach ihn los, Pawel!», befiehlt Jochen seinem Kumpan.
    Das Erste, was ich sehe ist ein blasser, schnurrbärtiger Mann mit einer Papirossa zwischen den letzten ihm verbliebenen Schneidezähnen. Er grinst, ohne dass die Zigarette wackelt. «Ich cheiße Pawel», sagt er und streckt mir seine Hand entgegen. «Schreiner, Maler, Chausmeister, acht Euro pro Stunde.»
    «Und worunter fällt Menschenraub?», frage ich bitter. Pawel zögert nur kurz: «Chausmeister.»
    «Jochen, was soll das?»
    «Das weißt du genau. Vor einem Jahr hast du mir aufgetragen, dass ich die Jungs zusammentrommeln und dich zurück nach Berlin bringen soll.» Er wedelt mit einem zerknitterten Blatt Papier. «Weißt du noch? Das Jahr lief gestern ab. Alles wie besprochen.»
    Pawel nickt, deutet auf das Papier und bestätigt: «Legal.»
    Ich ignoriere ihn.
    «Wo zum Teufel hast du denn diesen Schergen aufgegabelt?»
    «Na ja», druckst Jochen. «Ich habe den Jungs erst gestern Bescheid gegeben, da hatten ein paar von ihnen schon was vor oder keinen Bock, nach München zu fahren. Also habe ich einfach beim Arbeitsamt angerufen.»
    Ich kann es nicht

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