Nach all den Jahrmilliarden
habe mit ihr mehr gemeinsam als etwa mit 408b oder Dr. Horkkk. Also ist es ganz verständlich, wenn ich dazu neige, die Zeit mit ihr zu verbringen.
Aber eine Liebesaffäre?
Leroy ist eifersüchtig auf seine Phantasie. Er ist einer dieser nervösen Junggesellen, die den Frauen krampfhaft nachjagen – meistens ohne viel Glück –, und seine Erfolgsaussichten bei Jan sind gleich Null. Sie hält ihn – ziemlich treffend – für einen Widerling. Da er das nicht als Erklärung für seinen mangelnden Erfolg bei ihr akzeptieren kann, hat er eine bessere gefunden: Ich sei jünger und schlanker und dünner als er, und deshalb sei Jan in ihrer nachpubertären Oberflächlichkeit mir zugefallen.
Die Art, wie er seinen Verdruß mir gegenüber zum Ausdruck bringt, besteht darin, mich in die Seite und die Rippen zu knuffen und zu sagen: „Ihr beiden hattet ein paar feurige Stunden letzte Nacht, eh? Darauf wette ich! Du bist wirklich ein biologischer Artist, eh, mein Jungchen?“
„Nun mach mal halblang, Leroy“, antworte ich. „Jan und ich haben nicht die gleiche Wellenlänge.“
„Und das behauptest du auch noch mit einem ehrlichen Gesicht. Aber du kannst mich nicht an der Nase herumführen. Wenn du sie zurückbringst, hat sie diesen erhitzten und aufgeregten Ausdruck im Gesicht – und ein Mann von Welt wie ich weiß dann sehr gut, was ihr getrieben habt.“
„Für gewöhnlich unterhalten wir uns über die Funde des Tages.“
„Aber natürlich! Natürlich!“ Er senkt seine Stimme. „Hör mal, Tommy, ich kann dir keinen Vorwurf machen, wenn du deiner Leidenschaft soweit wie möglich freien Lauf läßt, aber hab’ doch auch ein Herz! Es gibt noch andere Männer bei dieser Expedition, und Frauen sind knapp.“ Ein plumpes Zwinkern. „Macht es dir etwas aus, wenn ich sie in einer der kommenden Nächte hinter die Felsen abschleppe?“
Ja, das bin ich, Tom Rice, der egoistische junge Mann, der das Frauenmonopol an sich gerissen hat! Hättest du dir das vorstellen können? Es gibt keine taktvolle Möglichkeit, Leroy zu erklären, daß er selbst sein schlimmster Feind ist, was seine bisherige Beziehung zu Jan angeht, daß ihn Jan vielleicht sogar ein wenig erdulden könnte, wenn er nicht so gierig und besessen und lüstern und vulgär wäre. Es ist ganz gewiß nicht so, daß ich all ihre Zuneigung für mich beanspruche, denn meine Beziehungen zu Jan sind die von Bruder zu Schwester, was immer Leroy auch denken mag.
Nun … mehr oder weniger jedenfalls …
Sie ist noch immer ganz verrückt nach Saul Shahmoon, und es macht mich ganz verlegen zuzugeben, daß sie die meiste Zeit hindurch, wenn ich mit ihr allein bin, darüber spricht, wie wundervoll Saul sei, und wie schrecklich es sei, daß er ihr nicht zugetan ist. Sie preist seinen scharfen Verstand, seine einfache Eleganz, sein weiches, attraktives, südländisches Aussehen, seine kühle, selbstbeherrschte Art und all seine anderen Tugenden. Sie klagt über seine eigenartige Besessenheit in Hinsicht auf die Philatelie, die ihn zu beschäftigt hält, als daß er sich verlieben könnte, und sie bittet mich um Rat, wie sie ihn am besten für sich gewinnen kann. Ehrlich!
Und Leroy Chang ist weiterhin davon überzeugt, Jan und ich feierten Orgien hinter den Felsen …
Vielleicht unternehme ich bei unserem nächsten Streifzug einen Versuch in dieser Richtung, wer weiß? Ich meine, was gibt es schon zu verlieren, wenn Leroy mit seinen Andeutungen und Anspielungen unseren Ruf bereits befleckt hat? Sie ist ein attraktives Mädchen. Und ich habe für diese Expedition kein Keuschheitsgelübde abgelegt. Außerdem geht es mir ziemlich auf die Nerven, dauernd ihre Lobeshymnen auf die Herrlichkeiten eines Saul Shahmoon anzuhören.
5
5. September
Weitere Kostenlose Bücher