Nach all diesen Jahren
seinem Herzen, dass das Kind von ihm war. Geld war Sarah nicht wichtig, und sie würde ihn auch nicht belügen. Wenn sie sagte, dass sie versucht hatte, ihn zu erreichen, dann stimmte das auch. Wie hart musste es für sie gewesen sein, sich und ihren Sohn durchzubringen. Dabei war sie ja selbst noch fast ein Kind gewesen.
Er konnte seine Augen nicht länger vor den Fakten verschließen: Er hatte es vermasselt – und jetzt musste er dafür zahlen. Und zwar einen ziemlich hohen Preis.
2. KAPITEL
Sarah spülte gerade Geschirr, als es läutete.
Nach dem Vorlesemarathon – Oliver gab sich nie mit einer Gutenachtgeschichte zufrieden – wollte sie nicht riskieren, dass er wieder aufwachte. Darum trocknete sie sich rasch die Hände ab und lief zur Tür.
Es war halb acht, und sie trug ihr Wochenendoutfit: eine verwaschene Trainingshose und ein ausgeleiertes T-Shirt. Auszugehen konnte sie sich nicht leisten. Zweimal im Monat lud sie Freunde zu sich zum Essen ein, aber da sie buchstäblich die Pennies zählen musste, war diese Freude etwas getrübt.
Die letzten zwei Tage hatte sie damit verbracht, einen neuen Job zu finden, da die Reinigungsfirma sie nach dem Fiasko in der Bank natürlich sofort entlassen hatte.
Allerdings betrieb sie die Suche eher halbherzig. Die Begegnung mit Raoul beschäftigte sie weit mehr, als ihr lieb war. Ununterbrochen spulte sie die Unterhaltung noch einmal in ihrem Kopf ab und analysierte jedes seiner Worte. Gut, dass es so gekommen ist, versuchte sie sich einzureden. Irgendwann musste es mal passieren. Jedes Mal, wenn sie ihren Sohn betrachtete, sah sie Raoul vor sich. Oliver war seinem Vater wie aus dem Gesicht geschnitten. Er hatte dessen tiefbraune Augen, die Sarah an den Schmelz von Zartbitterschokolade erinnerte seinen dunklen Teint und das rabenschwarze Haar. Sie war sich sicher, dass Raoul bei seinem Anblick jeden Zweifel sofort begraben würde. Aber bis jetzt hatte er nichts von sich hören lassen. Ihre Enttäuschung wuchs.
Außerdem steckte sie in einem Dilemma. Sollte sie ihren Eltern erzählen, dass Olivers Vater plötzlich wieder auf der Bildfläche erschienen war? Oder würden sie sich dann nur unnötig Sorgen machen? Sie wussten, dass dieser Mann ihrer Tochter das Herz gebrochen hatte. Wie würden sie reagieren, wenn sie dem „Schuldigen“ plötzlich gegenüberstanden? Sarah war Einzelkind, und ihre Eltern neigten dazu, sie zu stark zu behüten. Sie traute ihnen zu, nach London zu kommen, um den „Verführer“ zur Rechenschaft zu ziehen.
Tief in Gedanken versunken riss sie die Haustür auf und prallte dann entsetzt zurück. Raoul stand vor der Tür! Fassungslos starrte sie ihn an.
„Darf ich reinkommen, Sarah?“
„Ich … mit dir habe ich ja überhaupt nicht gerechnet! Wolltest du nicht … anrufen?“
Er betrachtete sie forschend. Sie trug nicht mehr diesen Kittel, in dem man ihre weiblichen Formen nicht einmal erahnen konnte. Sein Herz schlug schneller beim Anblick der seidig schimmernden Haut, der Intensität ihrer smaragdgrünen Augen und ihrer wohlgerundeten Kurven, die selbst das verwaschene T-Shirt und die alte Trainingshose nicht verbergen konnten.
Das T-Shirt erkannte er sofort wieder, auch wenn das Logo der Rockgruppe inzwischen fast völlig verblasst war. Der Anblick versetzte ihn in die Vergangenheit zurück. Er sah wieder das Zimmer in Afrika vor sich, das Bett mit dem Moskitonetz. Er erinnerte sich an die Leidenschaft, das Begehren, das ihn jedes Mal überwältigt hatte, wenn sie sich dieses T-Shirt über den Kopf gezogen und er ihre festen, runden Brüste gesehen hatte.
Er hatte anrufen wollen. In den letzten zwei Tagen dachte er unablässig über dieses Problem nach, das da so unvermutet in sein Leben getreten war. Dann entschied er sich, damit umzugehen wie mit jedem anderen Problem: sachlich und mit klarem Kopf. Zuallererst musste der Beweis erbracht werden, dass Sarahs Kind wirklich sein Sohn war. Sein Instinkt konnte ihn schließlich trügen. Und anschließend würde er sich mit ihr zusammensetzen, um die weiteren Schritte zu besprechen.
Unglücklicherweise scheiterte der Plan an seiner Ungeduld. Erstmalig in seinem Leben konnte Raoul sich nicht auf die Arbeit konzentrieren. Selbst zwei Stunden im Fitnessstudio, wo er sich schier verausgabte, reichten nicht, um seine Unruhe zu dämpfen. Er musste etwas tun!
Nervös bat Sarah ihn herein. „Ich wusste nicht, ob ich vielleicht einen Anruf von … von jemandem … wegen des
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