Nach all diesen Jahren
machen, Sarah.“
„Ich versuche nur, vernünftig zu sein und alle Unklarheiten vorher aus dem Weg zu räumen. Wahrscheinlich willst du einen Ehevertrag aufsetzen?“ Das war ihr zwar gerade erst eingefallen, aber des Menschen Verstand arbeitete ja auf die wundersamste Weise. Vielleicht würde es ihr helfen, sich vor Verletzungen zu schützen, wenn sie ein paar Regeln aufstellten? Vielleicht fände sie eine Möglichkeit, pragmatisch mit der Sache umzugehen. Zumindest nach außen hin. Raoul würde ein solcher Vertrag sicher erleichtern. Obwohl sie seinen verschlossenen Gesichtsausdruck nicht deuten konnte.
„Willst du das wirklich?“, fragte er tonlos.
Schlagartig überfielen Sarah unglaubliche Schuldgefühle, das Thema überhaupt erwähnt zu haben. Und das machte sie unglaublich wütend! Warum sollte er eigentlich der Einzige sein, der diese Ehe unter rein praktischen Gesichtspunkten sah. Das kann ich auch! dachte sie. Warum auch nicht? Schließlich war sie nicht verpflichtet, ihre Seele vor ihm zu entblößen. Er hatte schließlich nicht das Monopol auf gesunden Menschenverstand!
„Es scheint mir nur vernünftig.“ Sie bemühte sich, abgeklärt und gelassen zu erscheinen. „Schließlich wollen wir uns nicht über irgendwelche finanziellen Lappalien streiten. Und außerdem …“ Sie holte tief Luft. „Außerdem sollten wir zumindest versuchen, eine Art ‚freundschaftlicher Beziehung‘ zu bewahren.“
Ihr Herz krampfte sich zusammen, aber sie wusste, dass sie ihre Liebe ein für alle Mal vor ihm verbergen musste. Denn nur so war eine Beziehung auf derselben Augenhöhe möglich. Außerdem hätte sie es nicht ertragen, das Mitleid in seinen Augen zu sehen. Womöglich hätte er sie darauf hingewiesen, dass man erotische Anziehung und Liebe nicht miteinander verwechseln sollte.
Natürlich würde er sich absolut verständnisvoll verhalten. Wahrscheinlich sogar sein Taschentuch zücken. Aber diese Demütigung würde sie nicht überleben. Außerdem empfände er sie sicher nur als Last – als Preis, den er zu zahlen hatte. Nein, die einzige Möglichkeit war, so zu tun, als betrachte auch sie es als reine Geschäftstransaktion.
Diese Überlegung genügte, um sie seelisch zu wappnen und die nüchterne Fassade aufrechtzuerhalten, obwohl Raouls Schweigen sie zunehmend verunsicherte.
„Wenn du glaubst, ich würde mich auf eine Ehe ohne Sex einlassen …“, begann er mit finsterer Miene.
Sarah hob die Hand, um ihn zu unterbrechen. „Habe ich das gesagt …?“ Eine Welle der Erleichterung durchflutete sie. Über diesen Punkt hatte sie noch nicht nachgedacht … und jetzt war unbewusst eine Entscheidung gefallen. „Es wäre doch dumm, das einzig starke Band zwischen uns zu zerschneiden.“
Wieder legte sie ihm die Hand auf den Arm. Dabei erfüllte sie ein unglaubliches Glücksgefühl, weil sie endlich ihren Gefühlen nachgeben konnte, und nicht länger verbergen musste, wie sehr sie ihn begehrte.
Raoul hielt ihre Hand fest und sah ihr in die Augen. „Eines wüsste ich aber doch gern: Warum hast du nicht eingewilligt, meine Geliebte zu sein? Letztlich läuft es jetzt doch auf dasselbe hinaus, oder?“
„Vielleicht einfach deshalb“, gestand sie mit absoluter Aufrichtigkeit, „weil ich es nicht ertragen hätte, deine Geliebte zu sein, und irgendwann zu erleben, dass du meiner überdrüssig bist. Dieser Gedanke ist mir eben erst gekommen“, gestand sie. „Wenn du deine Entscheidung jetzt revidieren willst …?“
„Im Gegenteil.“ Raouls Mund umspielte ein zufriedenes Lächeln. „Alles ist genau so, wie ich es gern hätte.“
8. KAPITEL
Eineinhalb Wochen später war sich Raoul da nicht mehr so sicher, obwohl er eigentlich nicht genau sagen konnte, was nicht stimmte.
Sarah begehrte nicht mehr auf. Ihre Stimmung schwankte nicht mehr zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt. Sie bedachte ihn nicht mehr mit sehnsuchtsvollen Blicken, um ihn gleichzeitig von sich zu stoßen. Es kamen auch keine moralischen Zweifel mehr von ihr, ob es nun richtig sei, miteinander ins Bett zu gehen.
Rein äußerlich betrachtet schien alles nach Plan zu gehen. Er war inzwischen bei ihr eingezogen, und eine Woche lang wimmelte das Haus von Handwerkern, Computerfachleuten und Elektrikern, die die gemütliche Bibliothek in ein hochmodernes Büro verwandelten. Sie legten einen Internetanschluss, zwei Telefonleitungen, schlossen Monitore an, um die Börsenkurse zu verfolgen und stellten den Schreibtisch und die
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