Nach all diesen Jahren
entsprechenden Büromöbel auf. Von seinem Arbeitsplatz konnte Raoul auf den Garten mit den beiden Apfelbäumen blicken. Das war eine ganz andere Aussicht als von seinem Luxusapartment aus, und er musste zugeben, dass es ihm gefiel.
Die Hochzeit sollte in vier Wochen stattfinden.
„Mir ist der Termin eigentlich egal“, meinte Sarah, „aber meine Mutter hängt an der Vorstellung einer Traumhochzeit einschließlich kirchlicher Trauung und allem Drumherum, und ich möchte sie nicht enttäuschen.“
Sarah stand zu ihrem Wort, und sie schliefen jetzt regelmäßig miteinander. Über den Sex konnte Raoul sich nicht beschweren, da war alles so, wie er es sich in seinen kühnsten Träumen ausgemalt hätte – und besser. Sie war eine wunderbare Geliebte. Sinnlich und leidenschaftlich. Sie gab sich ihm ganz hin. Wenn sie sich abends ins Schlafzimmer zurückzogen, das Licht löschten und der Mond alles in seinen blauen Schimmer tauchte, verschmolzen ihre Körper zu einer Einheit.
Allein bei dem Gedanken daran wurde Raoul ganz heiß.
Aber außerhalb des Schlafzimmers verhielt sich Sarah völlig anders. Dann war sie zwar freundlich, aber distanziert. Wenn er um sieben nach Hause kam – was für ihn ein wirkliches Opfer war, da er normalerweise bis halb neun und länger arbeitete –, begrüßte sie ihn mit einem Kuss auf die Wange. Sie fragte ihn nach seinem Tag, hatte gekocht und den Tisch gedeckt. Ständig lag ein Lächeln auf ihren Lippen, und sie winkte ihnen zu, wenn er mit Oliver im Garten spielte, bis es für diesen Schlafenszeit war. Aber Raoul wurde das unbehagliche Gefühl nicht los, als hätte sie eine unsichtbare Wand errichtet.
„Bist du so weit? Hast du alles eingepackt?“ Endlich sollte der bis jetzt verschobene Besuch bei Sarahs Eltern in Devon stattfinden. Sie würden nur zwei Tage bleiben, aber das Gepäck hätte für einen mehrwöchigen Urlaub gereicht. Olivers Lieblingsspielzeug musste mit, einschließlich des Rennwagens, den er zuerst so schmählich ignoriert hatte, der aber inzwischen ganz oben auf der Liste stand. Dann brauchte man etwas zu trinken, da man nie wusste – wie Sarah versicherte –, wann ein Vierjähriger plötzlich das Gefühl hatte, am Verdursten zu sein, obwohl er eben erst getrunken hatte. Außerdem brauchte man noch Hörbücher und eine CD mit Kinderliedern. Die musste man hören, ob man wollte oder nicht.
Sie hatte vorher eine Liste erstellt und hakte nun konzentriert einen Punkt nach dem anderen ab.
„Ist das immer so ein Aufwand, wenn du zu deinen Eltern fährst?“, fragte Raoul fassungslos, als endlich alles im Range Rover verstaut war und sie losfuhren.
„Das ist doch noch gar nichts“, erwiderte Sarah trocken. „Vorher mussten wir ja den Zug nehmen, und das ist mit all dem Gepäck und einem kleinen Kind im Schlepptau wirklich eine logistische Herausforderung.“ Sie drehte sich zu Oliver um, überprüfte, ob er auch nicht am Verschluss des Sicherheitsgurts herumspielte, wie er das manchmal tat, und sah dann abwesend zum Seitenfenster hinaus.
Seltsam, dachte sie, im Auto fühle ich mich immer, als säße ich in der Falle. Wahrscheinlich, weil ich nicht flüchten kann. Weil ich mich der Situation stellen muss, in die ich uns wegen meiner Schwäche gebracht habe.
Sie bemühte sich, Raoul freundlich und aufmerksam zu begegnen, aber ihr Herz schmerzte angesichts der Distanz, die sie aufbauen musste, um wenigstens halbwegs ihr Gesicht zu wahren. Es war einfach zu gefährlich, sich ihm ganz zu öffnen und ihm zu zeigen, wie ihr zumute war. Dann würde sie ihre Ehe nämlich für eine wirkliche Verbindung zweier Menschen, die sich lieben, halten. Und wenn er sich irgendwann von ihr abwenden würde – wie sollte sie dann noch damit zurechtkommen? Er liebte sie eben nicht und würde daher früher oder später das Interesse an ihr verlieren, sobald der Sex zwischen ihnen anfing, ihn zu langweilen.
Sarah sagte sich täglich, wie wichtig es sei, eine solide Freundschaft aufzubauen, die auch später noch tragfähig sein würde. Insgeheim hoffte sie jedoch, Raoul würde sie als Teil seines Lebens betrachten – auch wenn diese Verbindung nicht so ganz freiwillig zustande gekommen war. Sicher würde er ihr zumindest mit Achtung und Respekt begegnen, wenn er sähe, wie gelassen und pragmatisch sie sich verhielt.
Sie war eisern entschlossen, ihre Gefühle für ihn fest unter Verschluss zu halten. Es gab nur ein Ventil für sie, ihre Gefühle zu leben – wenn sie
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