Nach dem Bankett.
und diese Freude braclite ihr zu Bewußtsein, wie einsam sie bisher gewesen war.
Während des Beisammenseins mit Noguchi war sie nicht besonders aufgeregt gewesen, aber sobald sie sich von ihm getrennt hatte, brach ein Sturm der verschiedensten Empfndungen über sie herein. Sie war ganz besessen von der Vorstellung, Noguchi mit frischgewaschenen Oberhemden und neuen Anzügen zu kleiden. Aber diesem Problem konnte sie sich erst zuwenden, wenn sie wußte, was Noguchi für sie empfand. Solange sie dies nicht in Erfahrung gebracht hatte, war es ihr auch nicht möglich, einzugreifen. Bisher wußte sie gar nichts über seine Empfndungen. Es kam ihr seltsam vor, daß sie noch einmal im Leben in einer Situation war, in der sie keine Ahnung hatte, was ein anderer für sie empfand. Es war nicht nur seltsam, sondern sogar äußerst beunruhigend.
›Warum läuft Noguchi nur mit so abgetragenen Sachen herum? Wenn man auch sieht, daß sie aus gutem Stof sind‹, dachte sie und zerbrach sich den Kopf darüber, wie hoch sein Einkommen sein mochte. Er lebte ofenbar nur von einer Pension, und die konnte sicher nicht hoch sein. Traurige Verhältnisse für einen Mann, der einst Minister gewesen war!
Auch am Abend, während Kazu ihre Gäste unterhielt, kehrten ihre Gedanken immer wieder zu diesem Problem zurück. Sie überlegte, ob es keinen Weg gebe, in Erfahrung zu bringen, wie hoch seine Bezüge waren. Der Zufall wollte es, daß sie kurze Zeit darauf in eine Gesellschaft von Beamten geriet, die sich über die Altersgrenze im Beamtendienst unterhielten. Kazu nahm die Gelegenheit wahr und sagte in unverfänglichem Ton: »Wenn die Regierung auf die Idee käme, alle Restaurants selber verwalten zu wollen, würde man wohl als erstes mich alte Frau in Pension schicken. Aber das wäre nicht schlimm; denn sicher ist es viel angenehmer, im süßen Nichtstun von der Pension zu leben, als weiter so hart zu arbeiten. Wie hoch, glauben Sie, würde meine Rente sein?«
»Nun, eine Frau wie Sie bekäme wohl die gleiche Pension wie ein Minister: ungefähr dreißigtausend Yen pro Monat.«
»Oh, würde ich wirklich so viel bekommen?« fragte Kazu mit gespieltem
Erstaunen und brachte die Gesellschaft dadurch zum Lachen.
Am Abend, als sie allein in ihrem Zimmer lag und nicht einschlafen konnte begann sie, sich im Geist das Verschiedenste auszumalen.
Im Vergleich zu den Gästezimmern des Setsugoan waren Kazus Privaträume sehr schlicht und nüchtern. Am Kopfende ihres Lagers stand ein Telefon, und überall lagen Zeitschriften herum. Aber nicht ein einziger künstlerische Gegenstand war im Zimmer, und sogar in der Tokonoma-Nische standen nu kleine Schubfachkommoden nebeneinander. Das Lager nahm fast das ganze Zimmer ein; wenn Kazu sich hier niederlegte, fühlte sie sich endlich ungestört.
Sie hatte also in Erfahrung gebracht, daß Noguchis Einkommen etwa dreißigtausend Yen monatlich betrug. ›Dann ist die Einladung zum Mittagessen keine geringe Ausgabe für ihn gewesen‹, dachte Kazu und freute sich noch meh darüber. Nun, da sie konkrete Tatsachen wußte, bekam ihre Phantasie wahrhaf Schwingen. Bisher hatte Kazu immer nur mit Männern zu tun gehabt, die au dem Gipfel ihrer Macht standen. Noguchis einst glanzvolle Stellung, seine jetzige Armut und seine stolze, beherrschte Haltung regten sie daher zu romantischen Träumen an.
Am nächsten Morgen ließ Kazu ihren täglichen Spaziergang ausfallen; denn sie hatte in der Zeitung gelesen, daß Tamaki gestorben war. Abends um zehn Uh hatte er im Krankenhaus den letzten Atemzug getan. Es wurde bekanntgegeben daß die Trauerfeier zwei Tage später im Tsukiji Honganji-Tempel nachmittags um ein Uhr stattfnden werde. Sie wollte sogleich einen Kondolenzbesuch be Frau Tamaki machen und war sogar schon dabei, sich den schwarzen Kimono anzuziehen. Dann hielt sie aber inne, weil sie sich daran erinnerte, wie Frau Tamaki sich an jenem Abend verhalten hatte. Sie ging nicht zu ihr.
Die nächsten beiden Tage verbrachte sie ungeduldig wartend. In dieser Zei fng das Herz dieser leidenschaftlichen Frau Feuer.
Trotz der Nachricht in der Zeitung hätte Noguchi sie sofort von Tamakis Tod benachrichtigen müssen. In einem Anruf von ihm hätte sie ein Zeichen seine Liebe oder wenigstens seiner Freundschaft erkannt. Aber er ließ nichts von sich hören. Jedesmal wenn das Telefon läutete, wurde Kazu schüchtern wie ein junges Mädchen und hielt ängstlich den
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