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Nach dem Bankett.

Nach dem Bankett.

Titel: Nach dem Bankett. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yukio Mishima
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noch so fortschrittlich halten – den Gesetzen der Leidenschaft konnten sie sich nicht entziehen.
       »Die Jugend heutzutage«, pfegte sie zu sagen, »macht genau dasselbe, was wir früher getan haben. Sie kleiden sich nur anders. Und sie glauben, was für sie neu ist, müsse auch für andere neu sein. Unmoral gab es früher wie heute. Nur benimmt man sich jetzt in der Öfentlichkeit ungezwungener und übertreibt, bloß, um aufzufallen.«
       Dies war eine recht oberfächliche und banale Feststellung, aber aus Kazus Munde klang sie überzeugend.
       Während Kazu auf der Bank saß, nahm sie eine Zigarette aus ihrem weiten Kimonoärmel und zündete sie an. Der Rauch stieg in das Morgenlicht und hing schwer und schimmernd wie Seide in der windstillen Luft. Solche Augenblicke, die keiner Frau vergönnt waren, die Familie besaß, stärkten Kazus Selbstbewußtsein und erfüllten sie mit der zufriedenen Gewißheit, daß sie aus eigener Kraft ein Leben in Wohlstand führte. Sie hatte eine vorzügliche Gesundheit und konnte sich nicht entsinnen, daß ihr die Zigarette je schlecht bekommen wäre, mochte sie am vergangenen Abend auch noch so viel getrunken haben.
       Alle Ecken und Winkel des Gartens, auch jene, die sie von ihrem Platz nicht sehen konnte, waren ihr vertraut; sie kannte den Park wie ihre eigene Handfäche: den in der Mitte des Gartens stehenden dunkelgrünen riesigen Hülsenbaum mit der dichten Krone aus glänzenden dicken kleinen Blättern; den wilden Wein, der sich um die Bäume auf den Hügeln im Hintergrund rankte; den weiten Ausblick auf den Rasen vor dem sogenannten Studienzimmer und die schlichte Schneelaterne davor; die Insel in der Mitte des Teiches mit der antiken Steinpagode und dem dichten Bambusgras. Nichts war hier dem Zufall überlassen: jeder Strauch und noch die unscheinbarste Blume wuchsen gleichsam auf ihr Geheiß. Während Kazu ihre Zigarette rauchte, hatte sie das Gefühl, als berge jede erlesene Einzelheit des Gartens für sie eine Erinnerung. Wie sie jetzt diesen Garten betrachtete, so betrachtete sie die Menschen und die ganze Welt. Nicht nur das: sie verfügte über sie.

Der Kagen-Kreis

    Ein Minister teilte Kazu mit, daß der Kagen-Kreis die Absicht habe, seine Jahresversammlung bei ihr abzuhalten. Die Angehörigen dieses Kreises, alles ehemalige Botschafter, kamen einmal im Jahr, und zwar am 7. Novembe zusammen. Sie waren bisher mit ihren Versammlungsräumen nicht zufrieden gewesen, daher hatte sich nun der Minister vermittelnd eingeschaltet.
       »Es sind vornehme alte Herren, die im Ruhestand leben«, erzählte der Ministe »Nur einer kann sich noch nicht mit der Untätigkeit abfnden, das ist der alte Noguchi. Sie kennen ihn, nicht wahr? Der berühmte Noguchi, der mehrere Male Minister war. Vor einigen Jahren ist er, Gott weiß warum, Abgeordnete der radikalen Reformpartei geworden, ist aber bei der letzten Wahl wiede durchgefallen.«
       Kazu erhielt diesen Auftrag während eines Gartenfestes, das ein Mitglied der Regierung gab. Sie hatte keine Zeit, darauf einzugehen; denn der Garten war an diesem Tage voller ausländischer Gäste. Es war nicht die übliche Scha zwitschernder kleiner Vögel, sondern ein lärmender Schwarm bunten Gefeders der sich im Garten von Setsugoan niedergelassen zu haben schien.
       Der 7. November rückte näher, und Kazu begann über die Vorbereitungen nachzudenken. Bei solchen Gästen war vor allem Respekt geboten. Menschen die auf der Höhe ihrer Macht stehen, amüsieren sich über freche Scherze und Vertraulichkeiten. Aber Menschen, deren Glanz bereits erloschen ist und die zurückgezogen leben, konnte man mit den gleichen Scherzen leicht in ihrem Stolz verletzen. Es war also das beste, still zuzuhören, wenn die Herren sich unterhielten. Später am Abend könnte sie die Herren mit sanften Worten hoferen und ihnen die Illusion geben, als stünden sie noch in der Blüte ihre früheren Macht.
       Das Menü für diesen Tag stellte Kazu wie folgt zusammen:

    SUPPE:
Weiße Bohnen mit Pilzen und Sesam-Quark
ROHER FISCH:
In Streifen geschnittener Tintenfsch; Bitterorangensaft und Petersilie
KASSEROLLE:
Amago; Archenmuschel; grüner Paprika; Bitterorangensaft; Sauce
    HORSD’UVRE:
Gebratene Drossel in Sojabohnensauce; Langusten; Muscheln;
eingemachte weiße Rüben; junge Sprossen von Lakritz
ENTREE:
Entenfeisch mit Bambussprossen; Sauce, gebunden mit Pfeilwurzelstärke
FISCH:
Zwei kleine Karpfen; gesalzene Meerbrasse, auf ofenem

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