Nach dem Bankett.
daß Noguchi am Telefon absichtlich einen unpersönlichen Ton anschlug, während er im persönlichen Gespräch stets liebenswürdig blieb.
›Es ist nicht gut, wenn ein Ehepaar nur durch das Telefon miteinander redet dachte sie. ›Aber das geschieht ja eigentlich nur meinetwegen.‹
Kazu hörte nur noch mit halbem Ohr auf Noguchis Zurechtweisungen und versuchte, sich nicht aufzuregen. Sie betrachtete ihre gesunden rosigen Fingernägel mit den deutlich sichtbaren weißen Halbmonden und entdeckte daß über die Nägel des Zeige- und Mittelfngers wolkenartige waagerechte weiße Striche liefen. ›Das ist ein Zeichen, daß ich viele Kimonos bekommen werde sagte sie sich; und auf einmal kam es ihr so vor, als habe sie bereits viel zu viele Kimonos. Eine Trostlosigkeit ohnegleichen überfel sie; ihr war, als löse sich ih Körper plötzlich auf.
Sie hielt den Telefonhörer immer noch am Ohr und ließ ihre Blicke umherschweifen. Morgensonne futete in die ofenen Zimmer, in denen die Mädchen emsig saubermachten; das Flechtwerk der neuen Binsenmatten hob sich deutlich im frühen Sonnenlicht ab; gerade tanzte ein Staubwedel über die durchbrochene Schnitzerei des Querbalkens. Überall in den sonnigen Räumen und Gängen bückten sich junge Mädchen, richteten sich wieder auf, schritten mit wohlgerundeten, festen Hüften einher, waren ständig in Bewegung.
»Hörst du überhaupt zu,« Noguchis Stimme klang ziemlich scharf.
»Ja.«
»Ich habe dir auch etwas mitzuteilen: Gerade habe ich erfahren, daß heute abend zwei wichtige Besucher kommen. Du mußt sie bewirten.«
»Kommen sie hierher?«
»Nein, zu mir nach Haus. Laß ein Menü anrichten und komm damit hierhe Du mußt sie empfangen.«
»Aber . . .« Kazu begann, eine Reihe wichtiger Gäste aufzuzählen, die am Abend ins Setsugoan kommen würden. Sie wollte ihm damit zu verstehen geben daß es ihr nicht möglich sei, das Gasthaus zu verlassen.
»Wenn ich dir sage, du mußt nach Hause kommen, dann tu es bitte.«
»Wer sind denn eigentlich diese wichtigen Gäste?«
»Das kann ich dir jetzt nicht sagen.«
Kazu ärgerte sich maßlos über diese Geheimnistuerei. »Du kannst es nicht Deiner eigenen Frau kannst du nicht sagen, wer deine Gäste sind? Das is wirklich unerhört!«
Noguchi antwortete mit erschreckender Kälte: »Also, du hast mich verstanden Sei um fünf Uhr mit dem Abendessen zu Hause. Ich dulde keinen Widerspruch.« Mit diesen Worten legte er den Hörer auf.
Kazu zog sich in ihr Zimmer zurück, um ihre Wut abklingen zu lassen. Dann fel ihr ein, daß Noguchi die Vereinbarung, sich nur am Wochenende zu sehen, bisher noch nie gebrochen hatte. Es mußte sich also tatsächlich um sehr wichtige Gäste handeln.
Kazu streckte den Arm aus, um das kleine Fenster etwas hochzuschieben, dasselbe Fenster, an dem die Polizei nachts nach Fingerabdrücken gesucht hatte. Die kleinen gelben Chrysanthemen draußen waren von den Polizisten oder von dem Dieb niedergetreten worden; einige lagen im weichen Sand wie eine Einlegearbeit. Ihre Umrisse zeichneten sich deutlich und klar wie ein gesticktes Wappen ab. Nur vereinzelte Blütenblätter waren aufgerichtet.
Kazu fühlte sich bleiern müde und legte sich auf die Matten vor dem Fenster. Ihr Blick war vor Zorn und Müdigkeit trüb. Durch den Spalt des ofenen Fensters sah sie den Morgenhimmel fern und klar strahlen. Die Tränen in ihren Augen zeichneten kleine Wellen auf den Himmel. Sie dachte: ›Ich will keinen Kimono mehr haben. Ich wünsche mir etwas ganz anderes.‹ Mit diesem Gedanken schlief sie ein.
Gegen abend fuhr Kazu doch in ›ihr Haus‹. Sie ließ sich bei den Kunden, die sich im Setsugoan angemeldet hatten, damit entschuldigen, daß sie Fieber habe und nach Hause gegangen sei. Sie befahl einem der Mädchen, sie zu begleiten und die vielen Lackkästchen zu tragen, in denen sich das Menü befand. Es bestand aus einem Horsd’œuvre – Archenmuscheln, Ginkonüssen, süßen Lilienwurzeln und Steingarnelen –, Suppe mit Reisklößchen und Rapsblüten, einem Gericht aus rohen Fischen, Pilzen und Flußkrebsen, einer Eierspeise, Kastanien und verschiedenen Gemüsen.
Als Kazu nach Hause kam, war Noguchi wider Erwarten guter Laune, und er erzählte ihr die Einzelheiten, die er ihr am Telefon nicht hatte sagen wollen. Er erwartete den Sekretär und den Geschäftsführer der Reformpartei, und er wußte auch,
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