Nach dem Bankett.
hatte nu ein paar Zentimeter ofengestanden: er konnte unmöglich ihren Körper berühr haben.
Während Kazu durch den Garten schritt und den Herbstwind auf ihrer Hau spürte, kam ihr unwillkürlich der Gedanke, daß ihr Körper bald verblühen könnte. Da sie außerordentlich empfndlich gegen Hitze war, pfegte sie sich of in Gegenwart der Mädchen oder anderer Vertrauter bis zur Brust, ja bis zu den Schenkeln entblößt vor den Ventilator zu setzen, um sich abzukühlen. Sie tat dies ohne jede Scheu, weil sie sich der Schönheit ihres Teints bewußt war. ›Aber wie wird es im nächsten Sommer sein?‹ dachte sie schaudernd. Denn sie hatte den Eindruck, als sei ihr Körper durch die Ehe schlafer geworden.
Gedankenverloren senkte sie den Blick. Dabei bemerkte sie zwischen den Wurzeln der Stechpalme zwei, drei zahnähnliche Gebilde. Sie bückte sich um genauer hinzusehen. Es waren Kaugummireste, die sorgfältig zu Kugeln geknetet waren. Von den Gästen und Angestellten des Setsugoan kaute niemand Kaugummi. Und die Kinder aus der Nachbarschaft konnten den Garten nich betreten.
›Die können nur von dem Dieb stammen‹, schoß es Kazu durch den Kop Und sie dachte weniger an die Unsauberkeit der Gummikügelchen als an die Einsamkeit des Mannes, der sich hier stundenlang versteckt gehalten hatte Sie spürte sogar eine kindliche Rührung mit seiner Einsamkeit. Sie konnte sich seine jungen, ungeduldig kauenden, kräftigen Zähne vorstellen, die den Kaugummi zerbissen hatten. Er hatte die Stunden zerkaut, hatte die schwerfällige gummiartige Gesellschaft zerkaut, die ihn nicht einließ, und auch die Angst, die in ihm saß. Und das war hier geschehen, im malerischen Mondschein, der durch die Blätter der Stechpalmen drang!
Solchen Träumereien hatte der Dieb es zu verdanken, daß er für Kazu zu einem lieben, unbekannten Freund wurde. Mochte der junge Mann, der sich hier bei Mondschein versteckt hatte, auch entsetzlich schmutzig gewesen sein, für Kazu wurde er zu einem Wesen, dem nahezu Flügel gewachsen waren.
›Warum hat er mich nicht geweckt? Wenn er in Nöten war, hätte ich ihm Geld gegeben, so viel er wollte. Er hätte es mir nur zu sagen brauchen.‹ Kazu hatte den Eindruck, der junge Dieb gehöre zum Kreis ihrer nächsten Bekannten. Diese Vorstellung war für die Gattin eines Noguchi Yuken etwas völlig Neues.
Sie wollte den Gärtner rufen, unterließ es aber und beschloß, niemandem etwas von dem Kaugummi zu sagen, da er als Beweismittel dienen könnte. Sie bohrte mit den Fingern ein kleines Loch neben die Wurzeln und bedeckte die Reste des Kaugummis sorgfältig mit Moos.
Den Anruf bei ihrem Mann schob sie noch etwas hinaus. Sie wollte warten, bis er aufgewacht war, und ihm dann über den Vorfall berichten. Sie erzählte ihm kurz, was geschehen war, und fügte hinzu: »Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie höfich und zuvorkommend die Polizisten waren. Früher hätte man sich kaum solche Mühe gegeben, wenn ein Dieb hier eingebrochen hätte. Das haben sie nur deinetwegen getan.« Davon war Kazu zwar selber nicht ganz überzeugt, aber jedenfalls wünschte sie, es wäre wahr. Dabei war es durchaus zweifelhaft, zu wem ein Polizist höficher sein würde: zu der Inhaberin eines Gasthauses, in dem Mitglieder der konservativen Partei verkehrten, oder zu der Frau eines Beraters der Reformpartei.
Noguchi reagierte recht kühl und gelassen auf ihren Bericht über den Einbruch. Er benahm sich wie ein Botschafter, dem ein junger Sekretär berichtet, daß er in einen Autounfall verwickelt worden sei. »Das kommt davon, wenn man die Türen nicht zuschließt!« waren seine ersten Worte. Kazu, die gehoft hatte, er werde vor allem darüber erleichtert sein, daß ihr nichts geschehen war, fühlte sich enttäuscht. Noguchi betrachtete diesen Einbruch ofensichtlich als ihre rein private Angelegenheit.
Diese sachliche Haltung war aus Noguchis Sicht durchaus berechtigt; aber Kazu empfand sie als ungewöhnlich kalt. Sie spürte zwei Reaktionen: Einmal fühlte sie sich in ihrem Stolz verletzt, weil Noguchi ihr, die sie das Gasthaus Jahre hindurch aus eigener Kraft geleitet hatte, Vorwürfe wegen der unverschlossenen Türen machte, und zum zweiten fürchtete sie, daß er die rätselhafte Erregung, die seit der Nacht von ihr Besitz ergrifen hatte, erkannt haben könnte. Aber im nächsten Moment schob sie die Schuld an ihrer Verärgerung dem Telefon zu denn sie hatte oft wahrgenommen,
Weitere Kostenlose Bücher