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Nach dem Bankett.

Nach dem Bankett.

Titel: Nach dem Bankett. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yukio Mishima
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Farben der Morgenröte, sie wirkten wie gemeißelt, als sie auf dem Wasser trieben, und spiegelten sich dunkelviolett auf der glatten Oberfäche. Während Kazu die Blumen mit forschenden Augen betrachtete, wa ihr zumute, als ob sie weissagen könne. Sie glaubte, daß sie aus der Anordnung der treibenden Blüten etwas über ihr künftiges Schicksal erfahren könne.
       Kazu hatte nicht nur ihr gesamtes Vermögen, sondern auch ihre ganze Lebenskraft in den Wahlkampf gesteckt. Sie hatte alles getan, was menschenmöglich war, und viele Demütigungen über sich ergehen lassen. Jede wußte, daß sie tapfer gekämpft hatte. Noch nie in ihrem Leben hatte sie sich so leidenschaftlich, so ausdauernd und erfolgreich für etwas eingesetzt. Die unerschütterliche Gewißheit, daß sie alles erreichte, was sie sich einmal in den Kopf gesetzt hatte, war ihre einzige Stütze gewesen. Diese Gewißheit, die Kazu in ihrem bisherigen Leben nur unklar empfunden hatte, war seit einigen Monaten fest in ihrem Herzen verwurzelt, und Kazu konnte ohne sie nicht mehr leben.
      Aufmerksam betrachtete sie die Wasserlilien. Das Wasser erschien ihr wie ein Symbol für die unüberschaubaren Volksmassen, die heute in allen Bezirken zu den Wahllokalen strömen würden, und die Blüten waren Noguchi selber. Tie reichten die Stiele der Blumen ins Wasser, und an jeder Spitze des Blumenhalters hingen winzige Luftbläschen. ›Das Wasser‹, dachte Kazu, ›hat nur eine Funktion um die Gunst der Blumen zu werben und ihr Spiegelbild zurückzuwerfen.‹
       In diesem Augenblick glitt der Schatten eines Vogels, der am ofenen Erkerfenster vorbeifog, über das Blumenarrangement. Durch den Luftzug löste sich ein trockenes Blatt von dem Ast, der fast bis ans Fenster reichte, segelte in der Luft umher und stürzte dann in das Bassin. Das Wasser geriet kaum in Bewegung, aber das verschrumpelte, braune Blatt schwamm auf der Oberfäche herum und sah häßlich aus wie eine zusammengekrümmte Raupe.
    Wenn Kazu nicht unvorsichtigerweise versucht hätte, aus der Anordnung
    der Blumen zu weissagen, dann hätte sie das störende Blatt einfach entfernen können. Jetzt aber hatte sie das kleine Blättchen ganz aus der Fassung gebracht, und sie bereute es bitter, sich so törichten Gedanken hingegeben zu haben.
       Sie ließ sich in einen Stuhl fallen und spielte eine Weile nachdenklich mit ihrem Fächer. Die Morgensonne fel auf den Fernsehapparat vor ihr, dessen bläulicher Bildschirm jetzt noch leer war, aber in Kürze in aller Ausführlichkeit über die Wahl berichten würde.
       Kazu nahm ihr Morgenbad nach Noguchi. Sie widmete sich mit großer Sorgfalt ihrem Make-up und zog einen festlichen Kimono an, den sie eigens für diesen Tag hatte anfertigen lassen. Da sie sich während des anstrengenden Wahlkampfes gar nicht um ihr Aussehen hatte kümmern können – und manchmal auch nicht hatte kümmern wollen –, versetzte sie das schöne Gewand in eine freudig erregte Stimmung. Auf dem durchsichtigen silbergrauen Seidenstof des Kimonos waren lackschwarze fschende Kormorane dargestellt, die von scharlachroten, fammenden Fackeln umgeben waren. Dazu trug Kazu einen hellgrünen Gobelin-Obi, auf den mit Silberfäden ein sichelförmiger Mond und zarte Wolken gestickt waren, und eine Obi-Brosche aus Diamanten.
       Sie wußte, daß ihre aufallende Kleidung Noguchi ärgern würde; aber sie hatte den Wunsch, sich für den Gang zum Wahllokal so schön zu machen, daß sie mit sich selber zufrieden war. Auf jeden Fall verspürte sie heute, nachdem endlich der Kampf in Staub und Schweiß beendet, wenn auch noch nicht entschieden war, das Bedürfnis, sich etwas Gutes anzutun und nach Herzenslust dem Luxus zu frönen.
       Sie ging ins Wohnzimmer, um Noguchi beim Ankleiden behilfich zu sein. Sein Anblick erfüllte ihr Herz mit Freude: er hatte von den drei Anzügen, die sorgfältig gebügelt für ihn bereitlagen, jenen ausgewählt, den er zum erstenmal bei Beginn des Wahlkampfs getragen hatte.
       Noguchi ließ sich, wie üblich, nicht dazu herab, ihr auch nur die Spur eines Lächelns zu schenken, aber es machte sie schon glücklich, daß er kein abfälliges Wort über ihre Aufmachung fallenließ. Auf dem Wege zum Wahllokal saßen sie schweigend nebeneinander im Wagen. Kazu betrachtete aus dem Fenster an ihrer Seite die im gleißenden Licht der Morgensonne liegenden Läden. Nun, da ihr ein solch unvergeßliches Erlebnis vergönnt gewesen war, sollte es sie auch nicht

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