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Nach dem Bankett.

Nach dem Bankett.

Titel: Nach dem Bankett. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Yukio Mishima
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anzunehmen. Der Vorsitzende der Union erklärte sich dazu bereit.
      Am Nachmittag des gleichen Tages hatte die konservative Partei Wind von der Sache bekommen und beschloß, ebenfalls Telegramme abzuschicken, um der Reformpartei entgegenzuwirken. Beim Hauptpostamt wurden sie abgewiesen. Daraufhin setzte sich die Fraktion von Tobita sofort mit dem Postminister in Verbindung. Er intervenierte – was praktisch einem ministeriellen Befehl gleichkam –, und noch am selben Abend wurden die hunderttausend Telegramme der konservativen Partei abgesandt, also doppelt so viele wie die Reformpartei aufgeben wollte.
       Um vier Uhr nachmittags erhielt Yamazaki in Noguchis Haus einen Anruf. Das Haus wimmelte von Zeitungsreportern und Rundfunk- und Fernsehleuten, und Yamazaki mußte sich mühsam einen Weg durch die Menschenmenge bahnen, um zum Apparat zu gelangen. Der Anruf kam aus dem Wahlhauptquartier, und eine erregte Stimme sagte: »Es ist entsetzlich! Soeben bekamen wir kurz hintereinander aus sechs verschiedenen Bezirken der Stadt Anrufe, daß dort Tausende von Flugblättern verteilt werden. Auf dem einen steht: Noguch Yuken schwer erkrankt, auf dem anderen: Noguchi Yuken liegt im Sterben. Die Zeitungsjungen schreien sich die Kehle wund und verteilen unentgeltlich diese Extrablätter.«
      Yamazaki berichtete den anwesenden Reportern von diesem unerhörten Vorfall. Kazu, die im Hintergrund zugehört hatte, schrie auf und rannte in ih Zimmer. Bestürzt folgte Yamazaki ihr.
       Kazu lag mitten im Zimmer weinend auf dem Boden. Es war ein unsäglich trauriger Anblick.
       Tröstend strich Yamazaki ihr über den Rücken. Da richtete sie sich jäh au ergrif Yamazaki am Aufschlag seines Anzugs, schüttelte ihn und schrie mi tränenüberströmtem, wutverzerrtem Gesicht: »Sucht nach dem Täter! Fang sofort den Schuldigen. Was für eine Gemeinheit! Was für ein gemeiner Trick! Im letzten Augenblick! Wenn wir dadurch die Wahl verlieren, dann bleibt mir nu noch der Tod, dann hat mich dieser Schuft getötet, dann habe ich alles verloren was ich besitze. Gehen Sie! Schnell! Nehmen Sie ihn sofort fest! Schnell!«
       Während sie immer wieder »schnell, schnell« sagte, wurde ihre Stimme allmählich schwächer; sie sackte zu Boden und verstummte. Yamazaki übergab Kazu der Fürsorge eines zuverlässigen Dienstmädchens und drängte sich eilig durch das Gewühl auf dem Gang zum Telefon.
       Abends gegen neun Uhr wurde es ruhig. Fernsehen und Rundfunk begannen, für das Programm des nächsten Tages vorsorglich ein paar Ton- und Filmaufnahmen zu machen, um den neuen Gouverneur und seine Gattin vorstellen zu können, falls Noguchi gewählt würde.
       Über der Szene, die wie eine eaterprobe wirkte, lag ein gespenstische Hauch von Irrealität. Noguchi beantwortete alle Fragen ruhig und gelassen und begann, in ernstem, gleichmütigem Ton seine Pläne für die Präfekturverwaltung zu entwickeln. Seine nüchterne Sachlichkeit hatte noch nie so vorteilhaft gewirk wie diesmal.
       »Und wo ist die Gattin des Gouverneurs?« fragte der Ansager gerade in dem Augenblick, als Kazu im Salon erschien. Sie hatte sich umgezogen und trug jetzt einen prächtigen vornehmen Kimono. Ihr Gesicht war leicht gepudert, sie lächelte selbstbewußt – kurz, sie war einfach vollkommen.
       Nachdem Kazu die Presseleute aus dem Haus geleitet hatte, kehrte sie zu Yamazaki zurück und sprach die ersten verzagten Worte, die er aus ihrem Munde hörte: »Wissen Sie, Herr Yamazaki, nach allem, was geschehen ist, habe ich das Gefühl, daß wir die Wahl verlieren werden. Ich weiß nicht, ob ich so etwas überhaupt aussprechen darf . . .«
    Yamazaki wandte sich ihr zu, fand aber kein Wort der Erwiderung. Und
    plötzlich, in der schwülen Dunkelheit des Ganges, begann Kazus Gesicht zu leuchten, als ob es von einem inneren Licht erhellt werde. Ihre Stimme klang wie in Trance, als sie fortfuhr: »Aber bestimmt wird alles gut gehen. Nicht wahr? Wir werden gewinnen.«

Der Tag der Wahl

    Am Wahltag, dem 10. August, war das Wetter klar und schön. Kazu stand früh auf, um das Erkerfenster mit einem Blumenarrangement zu schmücken. Sie wählte fünf Wasserlilien in verschiedenen Größen und ordnete sie kunstvoll in ein großes mit Wasser gefülltes Becken, wie sie es früher einmal gelernt hatte Schon diese Tätigkeit brachte sie in Schweiß.
       Die stille Klarheit des Wassers unter den Blumen beruhigte Kazus Herz. Die Blüten hatten die zarten

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